Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung des § 160 AO 1977 bei bloßer Weiterleitung von Schmiergeldzahlungen. Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO 1977 erst nach Aufforderung zur Zahlungsempfängerbenennung. Aussetzung der Vollziehung in Sachen Einkommensteuer 1987 bis 1993. Zinsen zur Einkommensteuer 1987 bis 1993. Solidaritätszuschlag 1991 bis 1992. Gewerbesteuermessbetrag 1987 – 1993
Leitsatz (redaktionell)
1. Leitet der Vermittler von Schmiergeldzahlungen für inländische Firmen die Gelder lediglich weiter, scheidet eine Anwendung des § 160 AO 1977 nach dem steuerrechtlichen Grundsatz, nicht Mittelsmänner, sondern die handelnden Steuerpflichtigen zu besteuern, aus, so dass der Betriebsausgabenabzug bei den inländischen Firmen, die den Vermittler mit der Weiterleitung der Bestechungsgelder beauftragt haben, ausscheidet, wenn sie nicht die tatsächlichen Zahlungsempfänger, an die der Vermittler die Gelder weitergeleitet hat, benennen.
2. Die Nichtbennung von Zahlungsempfängern nach § 160 AO 1977 führt erst dann zu einer –die Festsetzungsfrist verlängernden– Straftat, nachdem das FA den Steuerpflichtigen zur Benennung der Empfänger der Zahlungen aufgefordert hat (vgl. BGH-Urteil vom 22.11.1985 2 StR 64/85, BGHSt 33, 383). Dem Benennungsverlangen genügt nur ein Scheiben des zuständigen FA, irgendwelche Schreiben der organisatorisch vom FA getrennten Steuerfahndung sind ebenso wenig ausreichend wie Schreiben der Staatsanwaltschaft.
Normenkette
AO 1977 §§ 160, 169 Abs. 2 Sätze 1-2; EStG § 4 Abs. 4, 1, § 5; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1987 vom 5.3.1999 und der Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1993, alle vom 18.2.1999, wird ab 31.1.2000 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. von geänderten Bescheiden ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt. Der Höhe nach erfolgt die Aussetzung mit den in der Verfügung zur Aussetzung der Vollziehung vom 9.4.1999 angegebenen Beträgen mit Ausnahme der Zinsen zur Einkommensteuer 1989, 1990, 1991, 1992, 1993 und des Solidaritätszuschlags 1991 und 1992.
2. Die Vollziehung der Gewerbesteuer-Messbetragsbescheide 1987 bis 1993, alle vom 8.10.1999, wird ab ihrer Bekanntgabe bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. von geänderten Bescheiden in voller Höhe ausgesetzt.
3. Alle bisherigen Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben, soweit sie nicht wegen der in Nummer 1 des Tenors genannten Zinsen zur Einkommensteuer oder Solidaritätszuschlägen erfolgten.
4. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
5. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 12 % und der Antragsgegner zu Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung).
Tatbestand
I.
Der Antragsteller (ASt) war für mehrere Firmen als Vermittler tätig. Er stellte die für den Abschluss von Geschäften notwendigen Kontakte her und war für die Zahlung von Schmiergeldern „nützliche Aufwendungen”) zuständig. In den Streitjahren erstreckte sich die Tätigkeit des ASt auf den Vertrieb von Hubschraubern für ABC von Flugzeugen des Typs Airbus für die XYZ und von Panzern für die DEF bzw. GHI.
Der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) geht davon aus, dass der ASt Provisionen, die er für seine Vermittlungstätigkeit erhielt, nicht versteuert hat. Ferner will das FA den Betriebsausgabenabzug für an Dritte gezahlte Schmiergelder nicht gewähren. Dabei handelt es sich um Gelder, die über die Firmen International A und B flossen. Beide Firmen sind Tochterfirmen der C die ferner Anteile an mehreren weiteren Firmen hielt D mit Sitz in E.
Der ASt trägt vor, die Vermittlungen als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der XY (Sitz in Z) getätigt zu haben. Sämtliche erhaltenen Provisionen seien in der Buchführung der XY erfasst. (1988: X DM: 1990: Y DM; 1991: Z DM; 1992: X DM; 1993: Y DM).
Demgegenüber macht das FA geltend, der ASt sei (Allein-)Gesellschafter der C und damit auch der Tochtergesellschaften A und B. Bei allen Firmen handele es sich um Briefkastenfirmen ohne wirtschaftliche Funktion. Zweck der Firmen wäre es nur, die Finanzbehörden zu täuschen. Die Einkünfte aus den genannten Firmen seien daher dem ASt zuzurechnen. Dabei seien keine Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Denn der ASt habe die Empfänger der Schmiergeldzahlungen nicht benannt (§ 160 Abgabenordnung -AO-). Zu den Einzelheiten des Staatsanwalts wird auf den Zwischenbericht über die Fahndungsprüfung vom 14. … 1997 verwiesen. Die Steuerfestsetzungen beruhen der Höhe nach auf diesem Bericht.
Im Wesentlichen trägt der ASt gegen den Sachvortrag des FA folgendes vor:
Das FA rechne dem ASt die Einkünfte der Firmen C u.a. zu Unrecht zu, denn er sei von keiner dieser Firmen Gesellschafter. Deshalb könne er auf die Verträge dieser Firmen mit den Auftraggebern der Schmiergeldzahlungen keinen Einfluss nehmen. Die entgegenstehende Aussage des Zeugen M. sei unglaubwürdig. Soweit der ASt persönlich für die Firmen gehandel...