Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung des Vorsteuerabzugs wegen Einbeziehung in einen USt-Betrug
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Vorsteuerabzug ist trotz Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen zu versagen, wenn feststeht, dass der Abzug in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird.
2) Danach besteht kein Vorsteueranspruch, wenn der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Wusste er dies nicht und hätte er es auch nicht wissen müssen, kann ihm hingegen der Vorsteuerabzug nicht versagt werden.
3) Das Finanzamt trägt die objektive Feststellungslast für die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug, wenn für den Unternehmer keine genügenden Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten oder einer Steuerhinterziehung in Bezug auf den Leistenden und/oder die Leistung vorlagen.
Normenkette
UStG § 14; AO § 324; FGO § 69; UStG § 15
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die gegenüber der Antragstellerin erlassene Arrestanordnung von der Vollziehung teils auszusetzen teils aufzuheben ist.
Die Antragstellerin handelte im Streitzeitraum mit Edelmetallen. Zu ihren Lieferanten gehörte unter anderem die O. GmbH. Diese lieferte der Antragstellerin im Zeitraum vom 15.8.2012 bis 13.12.2012 u.a. Silbergranulat, Palladium und Platin. Die Antragstellerin erteilte der O. GmbH mehrere Gutschriften, die Umsatzsteuer i.H.v. insgesamt 332.631,00 EUR auswiesen. In den Gutschriften wurde die O GmbH unter der Anschrift „A-Str. 117, 00000 C.” geführt. Die in diesen Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer erklärte die Antragstellerin in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen als abziehbare Vorsteuerbeträge. Die O GmbH erklärte die Umsätze mit der Antragstellerin nicht und gab jeweils Umsatzsteuervoranmeldungen mit Umsatzsteuer i.H.v. 0,00 EUR ab.
Mit Datum vom 13.9.2013 erließ der Antragsgegner eine Arrestanordnung zur Sicherung des Umsatzsteueranspruchs für 2012 i.H.v. 332.631,00 EUR. Auf Grundlage der Arrestanordnung wurde ein Guthaben bei der A-Bank i.H.v. 19.615,31 EUR, ein Guthaben bei der B-Bank i.H.v. 2.252,04 EUR, Bargeld i.H.v. 1.550,00 EUR, eine Waage (T.) sowie Bruch-/Zahngold, Goldmünzen und Bruchsilber (insgesamt 150 g) und Tafelsilber insgesamt (931 g) gepfändet.
Der Antragsgegner führte zur Begründung aus, dass sich ein Arrestanspruch daraus ergebe, dass die Antragstellerin in den Monaten August bis Dezember 2012 Vorsteuern aus Lieferungen der O GmbH geltend gemacht habe, ohne dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) erfüllt seien. Der Vorsteuerabzug sei unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu versagen, da der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteilige, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen sei. Für eine Umsatzsteuerhinterziehung sei auffällig und typisch, dass die jeweiligen Firmen von Beginn ihrer Tätigkeit an sehr schnell hohe Umsätze tätigen würden. Dies treffe sowohl für die Antragstellerin als auch für die O GmbH zu.
Außerdem handele es sich bei der in den Gutschriften enthaltenen Adresse der O GmbH um einen Schein-Sitz, da lediglich auf die Anschrift eines Büroservice-Unternehmens Bezug genommen werde. Die O GmbH habe unter dieser Adresse kein Geschäft betrieben. Dem Büroservice-Unternehmen sei keine weitere Anschrift, Telefonnummer etc. des Geschäftsführers bekannt gewesen. Es handele sich daher um einen Schein-Sitz. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen nicht möglich, in denen der Unternehmer unter einem Schein-Sitz auftrete. Zudem seien beide Geschäftsführer der Antragstellerin als Rechtsanwälte in C. tätig. Aufgrund der räumlichen Nähe hätten diese die Geschäftsdaten des Geschäftspartners leicht überprüfen können. Der Umstand, dass die O GmbH an der angegebenen Adresse keinen Geschäftsbetrieb unterhalte, hätte erhebliche Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der O GmbH hervorrufen müssen. Ein redlicher Unternehmer hätte keine derartig hohen Umsätze nach so kurzem Bestehen der Geschäftsbeziehung getätigt.
Der Arrestgrund sei gegeben, da zu befürchten sei, dass der Steuerpflichtige seine Vermögenswerte schnell auf Dritte verschiebe und dadurch die spätere Vollstreckung der Steueransprüche vereiteln oder wesentlich erschweren werde. Dafür spreche insbesondere die Tatsache, dass es sich bei der Antragstellerin um eine beschränkt haftende Gesellschaft handele, bei der durch An- und Verkauf hohe Geldbeträge eingegangen und schnell weitergeleitet worden seien. Die Transaktionen seien sowohl über das Bankkonto der Gesellschaft als auch durch Abhebung hoher Bargeldbeträge abgewickelt worden. Es habe Barabhebungen i.H.v. rund 1.300.000 EUR im Zeitraum vom 15.8.2012 bis 26.10.2012 von Firmenkonten gegeben. Da die ...