Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die erstmalige oder geänderte Ausübung bzw. der Widerruf eines Wahlrechts führt grds. zu keinem Änderungsgrund des Steuerbescheids, denn die Änderung nach den §§ 172ff. AO setzt die Rechtswidrigkeit des Bescheides voraus (s. Rz. 8 f.). Im Fall der Einräumung eines Wahlrechts sind aber bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale mehrere Rechtsfolgen zulässig. Wurde das Wahlrecht einmal ausgeübt, ist der Steuerbescheid (sofern im Übrigen keine Zweifel bestehen) rechtmäßig (von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 41; AEAO Vor §§ 172–177 AO, Nr. 8). Es kann nur bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft ausgeübt oder geändert werden (BFH v. 21.09.2005, X R 32/03, BStBl II 2006, 66 m. w. N.; BFH v. 29.04.2008, VIII R 62/06, BStBl II 2008, 747 m. w. N.; von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 61 m. w. N.). Wird es jedoch nach Ergehen des Steuerbescheids wirksam ausgeübt, hat dies die Fehlerhaftigkeit des Steuerbescheids zur Folge, solange Antrag oder Wahlrecht nicht umgesetzt sind (BFH v. 03.03.2011, IV R 35/09, BFH/NV 2011, 2045 m. w. N.; Loose in Tipke/Kruse, § 177 AO Rz. 5; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 50, 76 und 1425; von Wedelstädt, AO-StB 2012, 150, 151). Später ist eine Änderung oder erstmalige Ausübung des Wahlrechts nur möglich, wenn der Steuerbescheid aus anderen Gründen nach Änderungsvorschriften korrigiert werden kann.
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die erstmalige Ausübung oder die Änderung eines ausgeübten Wahlrechts ist grds. keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 AO. Die Norm findet aber Anwendung, wenn die für die Ausübung des Wahlrechtes erforderlichen Tatsachen nachträglich bekannt werden (s. § 173 AO Rz. 17). Ebenfalls ist die erstmalige Ausübung oder Änderung eines ausgeübten Wahlrechtes kein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (z. B. von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 77). Sofern die Ausübung des Wahlrechtes aber selbst Tatbestandsmerkmal ist, ist ein rückwirkendes Ereignis anzunehmen (s. § 175 AO Rz. 40).
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der BFH wendet § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO indessen analog an, wenn ein Wahlrecht nach Bekanntgabe, aber vor Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids ausgeübt wird (BFH v. 30.08.2001, IV R 30/99, BStBl II 2002, 49; BFH vom 11.06.2014, IV B 46/13, BStBl II 2005, 807, jeweils zu § 6c EStG; a. A. mit ausführlicher Begründung von Wedelstädt in Gosch, § 175 AO, Rz. 47.2; von Wedelstädt, AO-StB 2012, 150, 153 m. w. N.).
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Etwas andere Grundsätze gelten für die Ausübung des Veranlagungswahlrechts von Ehegatten nach § 26 EStG. Seine Ausübung ist aber ebenfalls möglich bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung oder eines Berichtigungs- oder Änderungsbescheides. Sofern die Ehegatten zusammen veranlagt wurden, ein Ehegatte aber vor Bestandskraft des ihm gegenüber ergangenen Bescheides die getrennte Veranlagung wählt, ist dieser Wahl auch dann nachzukommen, wenn der Zusammenveranlagungsbescheid gegenüber dem anderen Ehegatten schon bestandskräftig ist (z. B. BFH v. 03.03.2005, III R 22/02, BStBl II 2005, 690; BFH v. 15.12.2005, III R 49/05, BFH/NV 2006, 933; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 80). Dessen Steuerfestsetzung ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Dasselbe gilt, wenn der andere Ehegatte im Zuge seiner Veranlagung die von ihm oder von beiden Ehegatten abgegebene Erklärung über die Wahl der getrennten oder besonderen Veranlagung widerruft (von Wedelstädt in Gosch, § 175 AO Rz. 50). Wird der Steuerbescheid nach einer Korrekturnorm geändert und ändern die Ehegatten anlässlich dessen ihre Wahl über die Veranlagung, so ist der Umfang der Auswirkungen der Änderung des Veranlagungswahlrechtes nicht an Korrekturrahmen des § 177 AO gebunden. Der Steuerbescheid wird aufgrund der erneuten Wahl nicht geändert, sondern es erfolgt erstmals eine Veranlagung nach der neu gewählten Art (von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 64; a. A. Koenig in Koenig, Vor §§ 172–177 AO Rz. 12).
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die obigen Ausführungen zu Wahlrechten gelten entsprechend für Anträge, mit denen die Einbeziehung eines bestimmten Sachverhalts in die Besteuerung oder eine bestimmte Rechtsfolge erreicht werden soll (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 75).