Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eng mit der Frage der Sachverhaltsaufklärung verknüpft ist die weitere Frage, welche Folgen es hat, wenn sich ein Sachverhalt nicht eindeutig feststellen lässt. Dem Steuerrecht ist eine formelle (subjektive) Beweislast (Nachweispflicht) grundsätzlich fremd und besteht nur in gesondert geregelten Einzelfällen, zumeist wenn vom Stpfl. formelle Nachweise gefordert werden. Ungeachtet dessen stellt sich auch unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes die Frage, zu wessen Lasten die Nichterweislichkeit von Tatsachen für steuerlich bedeutsame Sachverhalte geht. Deshalb kommt es auf die Frage der sog. Feststellungslast an, wenn sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt unter Anwendung möglichen Erkenntnismittel nicht klären lässt. Die Feststellungslast (objektive Beweislast) liegt trotz des amtlichen Untersuchungsgrundsatzes nicht stets auf der Seite der Finanzbehörde. Vielmehr ist in jedem konkreten Fall zu prüfen, wen unter den gegebenen Umständen diese Feststellungslast trifft. Die Beantwortung dieser Frage ist i. S. einer vernünftigen Abwägung zwischen den Aufklärungspflichten der Finanzbehörde und den Mitwirkungspflichten der Beteiligten zu beantworten. Ermittlungspflicht der Finanzbehörden und Mitwirkungspflichten der Beteiligten stehen in einem wechselseitigen Verhältnis derart, dass mangelhafte Pflichterfüllung auf der einen Seite eine entsprechende Minderung der zumutbaren Anforderungen an die andere Seite zur Folge hat. Auch für die Ermittlungspflichten der Finanzbehörde gilt, dass auf die objektive Beweislast (Feststellungslast) nur abgestellt werden darf, wenn aufgrund der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Erkenntnisse keine Überzeugung über den Geschehensablauf gebildet werden kann.
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Allgemeinen trägt der Steuergläubiger die Feststellungslast für diejenigen Tatsachen, die den Steueranspruch begründen, während der Stpfl. mit der Feststellungslast für diejenigen Tatsachen belastet ist, die eine Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begründen oder den Steueranspruch aufheben oder einschränken (BFH v. 23.05.1989, X R 17/85, BStBl II 1989, 879; BFH v. 13.04.2010, VIII R 27/08, BFH/NV 2010, 2038; BFH v. 29.06.2016, II R 41/14, BStBl II 2016, 865). Diese Regel gilt jedoch nicht ohne Ausnahme (s. BFH v. 07.07.1983, VII R 43/80, BStBl II 1983, 760), insbes. dann nicht, wenn die zu beweisenden Tatsachen in der Sphäre eines der Beteiligten liegen und dem Beweisbelasteten insoweit die Möglichkeit der Beweisführung fehlt. Zur sog. Sphärenverantwortlichkeit allgemein Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO Tz. 73.