Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 42e EStG hat der "Beteiligte" einen Anspruch auf Auskunft, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Die Auskunft setzt eine Anfrage, d. h. einen Antrag, und ein Auskunftsinteresse voraus. Antragsteller können der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der gesetzliche Vertreter und Vermögensverwalter nach § 34 AO oder Verfügungsberechtigte nach § 35 AO sein. Zuständig für die Auskunft ist das Betriebstätten-FA des Arbeitgebers (s. dazu im Einzelnen § 42e Satz 2 ff. EStG). Die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG trifft eine Regelung dahingehend, wie die Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten Sachverhalt gegenwärtig beurteilt. Der Stpfl. hat keinen Anspruch auf einen bestimmten rechtmäßigen Inhalt der Auskunft (BFH v. 27.02.2014, VI R 23/13, BStBl II 2014, 894).
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Anrufungsauskunft ist keine Wissenserklärung des FA, sondern ein feststellender Verwaltungsakt (h. M., BFH v. 30.04.2009, VI R 54/07, BStBl II 2010, 996 m. w. N. in Änderung seiner Rspr.; BFH v. 16.05.2013, VI R 23/12, BStBl II 2014, 325 m. w. N.; ferner u. a. Frotscher in Schwarz/Pahlke, Vor §§ 204–207 AO Rz. 22) und kann daher im Rechtsbehelfswege inhaltlich überprüft werden. Die Ablehnung einer Auskunft oder seine Aufhebung sind ebenfalls Verwaltungsakte (BFH v. 02.09.2010, VI R 3/09, BStBl II 2011, 233). Sie tritt außer Kraft, wenn sich die Rechtsvorschriften, auf denen sie beruht, ändern (u. a. Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 112). Wegen der Vorverlagerung des Verwaltungshandelns geht der BFH (v. 02.09.2010, VI R 3/09, BStBl II 2011, 233) von einer minderen Verbindlichkeit aus, der §§ 130f. AO nicht gerecht werden, und sieht die Grundlage für die Korrektur der Anrufungsauskunft für die Zukunft in der analogen Anwendung des § 207 Abs. 2 AO (BFH v. 02.09.2010, VI R 3/09, BStBl II 2011, 233; ebenso Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 112 m. w. N. zum Meinungsstand; Geserich, NWB 2014, 1866, 1872; dazu s. § 207 AO Rz. 5). Zu den Folgen der geänderten Rspr. und weiteren Einzelheiten s. BMF v. 12.12.2017, IV C 5 – S 2388/14/10001, BStBl I 2017, 1656. Der Widerruf der Anrufungsauskunft ist kein vollziehbarer Verwaltungsakt und daher ist ein Antrag auf AdV nach § 361 AO bzw. § 69 FGO nicht statthaft (BFH v. 15.01.2015, VI B 103/14, BStBl II 2015, 447).
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Anrufungsauskunft bindet ausschließlich das erteilende Betriebstätten-FA im Rahmen des Lohnsteuer-Abzugsverfahrens gegenüber dem Arbeitgeber. Hat der Arbeitgeber eine Anrufungsauskunft eingeholt und ist danach verfahren, kann ihm nicht entgegengehalten werden, er habe die LSt nicht vorschriftsmäßig einbehalten, unabhängig davon, ob die Anrufungsauskunft materiell richtig oder unrichtig ist (BFH v. 16.11.2005, VI R 23/02, BStBl II 2006, 210, m. w. N.; BFH v. 17.10.2013, VI R 44/12, BStBl II 2014, 892 m. w. N.). Sie wirkt auch gegenüber dem Arbeitnehmer (BFH v. 17.10.2013, VI R 44/12, BStBl II 2014, 892), erstreckt sich aber nicht auf das Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers (u. a. BFH v. 17.10.2013, VI R 44/12, BStBl II 2014, 892 m. w. N.; Frotscher in Schwarz/Pahlke, Vor §§ 204–207 AO Rz. 23; a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 110).