Tz. 29
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist die Ungewissheit beseitigt, ist die vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, soweit sich nach Beseitigung der Ungewissheit die Besteuerungsgrundlagen geändert haben. Es handelt sich insoweit nicht um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde. Was Umfang und Bereich der Änderung angeht, gilt das zu § 165 Abs. 2 Satz 1 AO Ausgeführte (s. Rz. 26 ff.). Eine nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung ist auch – zugunsten des Stpfl. – zu ändern, wenn der BFH oder das BVerfG eine Norm verfassungskonform auslegt (BFH v. 30.09.2010, III R 39/08, BStBl II 2011, 11; AEAO zu § 165, Nr. 8 Abs. 1 Satz 1; von Wedelstädt, DB 2011, 788). Eine Änderung zuungunsten des Stpfl. verbietet § 176 AO (von Wedelstädt, DB 2011, 788). Ist die Ungewissheit nur zum Teil weggefallen, kann der Änderungsbescheid wiederum vorläufig erlassen werden; der Umfang der Vorläufigkeit ist einzuschränken und es ist kenntlich zu machen, inwieweit der neue Bescheid vorläufig ist und für endgültig erklärt wurde (Seer in Tipke/Kruse, § 165 AO Rz. 45; AEAO zu § 165, Nr. 7 Satz 2).
Tz. 29a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Ungewissheit ist beseitigt, wenn für jedermann erkennbar mit einer gewissen Eindeutigkeit feststeht, dass die ungewisse Tatsache vorliegt oder nicht vorliegt (BFH v. 16.06.2015, IX R 27/14, BStBl II 2016, 144). Darauf, wann objektiv eine bestehende Ungewissheit beseitigt worden ist, kommt es nicht an. Aus § 171 Abs. 8 AO ergibt sich, dass der Gesetzgeber ausschließlich auf die Beseitigung der subjektiven Ungewissheit, also darauf abstellt, ob die Finanzbehörde Gewissheit über den steuerlich maßgeblichen Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Die Ungewissheit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer inneren Tatsache wie z. B. der Gewinnerzielungsabsicht ist beseitigt, wenn die für ihre Beurteilung maßgeblichen Anknüpfungspunkte bzw. Hilfstatsachen vorliegen oder mit vertretbarem Aufwand festgestellt werden können und dies dem FA bekannt ist (BFH v. 16.06.2015, IX R 27/14, BStBl II 2016, 144; Seer in Tipke/Kruse, § 165 AO Rz. 45a).
Tz. 29b
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist die Vorläufigkeit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO verfügt worden, weil die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens beim BFH ist (s. Rz. 14a), regelt § 165 Abs. 2 Satz 3 AO den Wegfall der Ungewissheit: Sie endet, sobald feststeht, dass die Grundsätze der BFH-Entscheidung über den Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden sind. Das ist der Fall, wenn durch die Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl oder durch Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2a AO feststeht, dass die Grundsätze der Entscheidung über den entschiedenen Fall hinaus allgemein angewendet werden können (Heuermann in HHSp, § 165 AO Rz. 40a; Oellerich in Gosch, § 165 AO Rz. 150; kritisch Seer in Tipke/Kruse, § 165 AO Rz. 46).