Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für Billigkeitsmaßnahmen wie Stundung und Erlass sind grundsätzlich die Gemeinden zuständig. Abweichend davon ist nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO aus Zweckmäßigkeitsgründen den Finanzbehörden die Befugnis übertragen, Billigkeitsmaßnahmen i. S. des § 163 Abs. 1 Satz 1 AO zu treffen, d. h. den Messbetrag niedriger festzusetzen oder solche Besteuerungsgrundlagen, die den Messbetrag erhöhen, bei der Festsetzung des Messbetrags unberücksichtigt zu lassen, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten Bundesfinanzbehörde oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind (s. § 163 AO Rz. 26). Dies betrifft vor allem Fälle sachlicher Unbilligkeit und sog. Gruppenunbilligkeit, bei der z. B. durch die Änderung der Rechtsprechung ein größerer Personenkreis betroffen ist. Damit ist die Finanzbehörde für die Billigkeitsmaßnahme sachlich zuständig (Kunz in Gosch, § 184 AO Rz. 18 m. w. N.). Die Regelung erübrigt die sonst notwendige Einholung der Zustimmung der ertragsberechtigten Gemeinde. Eine im Rahmen der Gewinnfeststellung getroffene Billigkeitsmaßnahme wirkt auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags als Grundlage für die Festsetzung des GewSt-Messbetrags (BFH v. 14.09.2017, IV R 51/14, BStBl II 2018, 78).
Tz. 13a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Fehlt es an der Voraussetzung des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO, nämlich der allgemeinen Verwaltungsvorschrift, handelt es sich also um Fälle der sog. Individualunbilligkeit, sind die Gemeinden als steuerfestsetzende Behörde zuständig (Kunz in Gosch, § 184 AO Rz. 19.1). Jedoch soll die Finanzbehörde die Billigkeitsmaßnahme mit Zustimmung der Gemeinde treffen können (Boeker in HHSp, § 184 AO Rz. 82 f.; zweifelnd Kunz in Gosch, § 184 AO Rz. 19.1 m. w. N.; ablehnend Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 184 AO Rz. 14; Brandis in Tipke/Kruse, § 184 AO Rz. 10); dies begegnet m. E. Bedenken, da die Finanzbehörde dafür sachlich nicht zuständig ist. Eine auf diesem Wege getroffene Billigkeitsmaßnahme ist m. E. aber nicht nichtig, da die Verletzung der sachlichen Zuständigkeit die zutreffende Behandlung nicht in Frage stellt, der Fehler also nicht besonders schwer ist (h. M., u. a. Kunz in Gosch, § 184 AO Rz. 19.1; Ratschow in Klein, § 184 AO Rz. 15; von Wedelstädt in Gosch, § 125 AO Rz. 61; a. A. Boeker in HHSp, § 184 AO Rz. 83).
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO haben Maßnahmen nach § 163 Abs. 1 Satz 2 AO nur Wirkung, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflussen. Werden mit Zustimmung des Stpfl. bei Steuern vom Einkommen Besteuerungsgrundlagen zeitlich versetzt berücksichtigt, so wirkt dies auch für den Gewerbeertrag als Besteuerungsgrundlage des GewSt-Messbetrags. Eine derartige Maßnahme nur bei der Festsetzung des GewSt-Messbetrags ist dagegen nicht zulässig. Dadurch wird die Übereinstimmung des für die GewSt maßgeblichen Gewinns mit dem einkommenssteuerlichen Gewinn sichergestellt.