Zuständigkeiten für Billigkeitsmaßnahmen

Mit einem BMF-Schreiben v. 5.7.2023 sowie einem gleichlautenden Ländererlass vom gleichen Tag haben die Finanzbehörden Stellung zu der Frage genommen, welche Behörde bis zu welchem Betrag Billigkeitsmaßnahmen für Steuerpflichtige gewähren darf. Diese Schreiben ersetzen die vorhergehenden Schreiben vom 2.11.2021.

Billigkeitsmaßnahmen im Steuerrecht

Billigkeitsmaßnahmen im Bereich des Steuerrechts führen dazu, dass Steuerpflichtige Steuern nicht oder zumindest vorläufig nicht zahlen müssen. Gesetzlich ist nicht bestimmt, dass eine andere Behörde als das zuständige Finanzbehörde die Billigkeitsmaßnahme gewähren kann. Es entspricht jedoch dem Interesse aller Finanzbehörden, dass ab einer gewissen Größe an Steuerforderung eine übergeordnete Finanzbehörde den Vorgang überprüft. Die Grenzen, die hierbei von den Finanzbehörden gezogen werden, stellen die beiden Verwaltungsverlautbarungen dar.

Für Steuerpflichtige sind diese allerdings nicht bindend. Gewährt also ein Finanzamt eine Billigkeitsmaßnahme, zu der es nicht befugt war, kann sich der Steuerpflichtige auf diese gleichwohl berufen.

Gegenüber dem vorherigen Schreiben haben sich nur wenige Änderungen ergeben. Diese beruhen vor allem auf der Neufassung des § 6 AStG. Die Steuer, die nach dieser Bestimmung bei einem Wegzug in das Ausland unter bestimmten Voraussetzungen anfällt, wird nach der Neufassung nicht mehr gestundet, sondern ist in sieben Jahresraten zu entrichten.

Gesetzliche Grundlagen

Insbesondere die AO kennt verschiedene Normen, die Billigkeitsmaßnahmen für einzelnen oder Gruppen von Steuerpflichten vorsehen. Zu nennen sind hier insbesondere die Stundung von Steuern nach § 222 AO, der Erlass von Steuern nach § 227 AO und die abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO. Darüber hinaus bestehen Billigkeitsregelungen zum Verzicht auf Zinsen nach § 234 Abs. 2 AO sowie § 237 Abs. 4 AO. Auch die Niederschlagung nach § 261 AO führt dazu, dass Steuerforderungen nicht mehr vollstreckt werden. Die Schreiben regeln, welche Behörde wann ihre Zustimmung einer der Billigkeitsmaßnahmen zu erteilen hat.  

Grundzüge der Verwaltungsverlautbarungen

Die wesentlichen Inhalte der Schreiben des BMF und die Ländererlasse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Stundungen nach § 222 AO und § 6 Abs. 4 AStG (bis 30.6.2021) dürfen gewährt werden:

  • Durch die Finanzämter: bis 100.000 EUR zeitlich unbegrenzt und höhere Beträge bis sechs Monate.
  • Mit der Zustimmung der Oberfinanzdirektion: bis 250.000 EUR zeitlich unbegrenzt und höhere Beträge bis 12 Monate.
  • Mit der Zustimmung der obersten Landesfinanzbehörden in allen übrigen Fällen.
  • Bei einer Stundung über 500.000 EUR über einen längeren Zeitraum als 12 Monate muss die Zustimmung des BMF eingeholt werden.

Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227, 234 Abs. 2 und 237 Abs. 4 AO:

  • Durch die Finanzämter bis 20.000 EUR
  • Bei Säumniszuschlägen aufgrund sachlicher Unbilligkeit in unbegrenzter Höhe (unter bestimmten Voraussetzungen)
  • Für Beträge über 100.000 EUR mit der Zustimmung der Oberfinanzdirektion
  • Mit der Zustimmung der obersten Landesfinanzbehörden in allen übrigen Fällen.
  • Eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 Abs. 1 Satz 2 AO kann bis 40.000 EUR durch die Finanzämter gewährt werden, bis 200.000 EUR durch die OFD, ansonsten mit der Zustimmung der obersten Finanzbehörde des jeweiligen Landes.
  • Bei einem Erlass über 200.000 EUR ist die Zustimmung des BMF einzuholen

Niederschlagungen nach § 261 AO und Absehen von der Steuerfestsetzung nach § 156 AO

  • Durch die Finanzämter bis 25.000 EUR (nach § 156 AO) sowie 125.000 EUR bei Niederschlagung; keine Zustimmung erfordert die Niederschlagung von Insolvenzforderungen.

Weitere Ausführungen betreffen die folgenden Punkte:

  • Die Zuständigkeitsgrenzen gelten für jede Steuerart getrennt, aber für mehrere Jahre zusammen.
  • Steuerliche Nebenleistungen sind nicht hinzuzurechnen.
  • Die Ablehnung von Anträgen ist nicht abhängig von einer Zustimmung.
  • In einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan oder außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan sowie in einem Verbraucherinsolvenzverfahren oder im Regelinsolvenzverfahren  ist eine Zustimmung nicht erforderlich.
  • Eine Zustimmung ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Billigkeitsmaßnahme durch ein BMF-Schreiben oder ein im Bundessteuerblatt veröffentlichten BFH-Urteil gewährt wird.
  • Bei einer Ratenzahlungsvereinbarung nach § 6 Abs. 4 AStG in der Neufassung ab 1.7.2021 ist die Zustimmung nicht erforderlich.

BMF, Schreiben v. 5.7.2023, IV D 1 - S 0336/20/10004 :003

Gleich lautende Erlasse v. 5.7.2023


Schlagworte zum Thema:  Erlass, Stundung, Abgabenordnung