Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei Störungen im Postbetrieb ist darauf abzustellen, ob bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt von einer normalen Zustellungsdauer ausgegangen werden konnte. Verzögerungen von einigen Tagen müssen nicht allgemein im Postverkehr in Rechnung gestellt werden. Der Bürger, der sich für die Einlegung und Begründung seiner Fristsachen der Post bedient, muss darauf vertrauen können, dass die Post die nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch einhält. Allerdings kann mit dem Transport einer Fristsache innerhalb der regelmäßigen Postlaufzeiten nur dann gerechnet werden, wenn die Sendung mit der vollständigen und richtigen Anschrift, einschließlich der Postleitzahl, versehen wird (z. B. BFH v. 19.12.1985, VIII R 3/85, BFH/NV 1987, 648; BFH v. 28.11.1996, XI R 76/95, BFH/NV 1997, 497; v. 19.12.2000 VII R 7/99, BStBl II 2001, 158; BVerfG v. 02.09.2002, 1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835). Unter dieser Prämisse darf auf die z. T. noch heute bei Postannahmestellen ausgehängte "Übersicht wichtiger Brieflaufzeiten" auch dann vertraut werden, wenn diese Laufzeiten in der Vergangenheit in Einzelfällen überschritten wurden (BFH v. 21.12.1990, VI R 10/86, BStBl II 1991, 437; BFH v. 28.10.2008, VIII R 36/04, BStBl II 2009, 190) bzw. auf eine bei der Postaufgabe erteilte Laufzeitauskunft (BVerfG v. 05.04.1989, 1 BvR 941/89, HFR 1990, 702). Im Zweifel sollte auch heute noch von einem Zugang am nächsten Werktag ausgegangen werden, wenn die Absendung noch während der üblichen Öffnungszeiten der Postagentur erfolgte und der Versender mit einer Beförderung am gleichen Tag rechnen konnte. Bei Einwurf in den Briefkasten muss der Versender auch auf die Abholzeiten auf dem Briefkasten achten. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Postversendung durch die Deutsche Post AG, sondern auch bei Inanspruchnahme anderer Anbieter.
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Von den vom Betroffenen nicht zu vertretenden Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder -zustellung durch die Post bzw. die empfangende Behörde ist die in seinen Verantwortungsbereich fallende Pflicht zu unterscheiden, für die rechtzeitige Absendung eines fristgebundenen Schriftstückes zu sorgen. Insoweit ist es Sache des Betroffenen, schlüssig Einzelheiten der behaupteten Absendung vorzutragen. Absendung durch gewöhnlichen Brief begründet kein Verschulden. Allerdings entsteht in der Praxis das Problem, dass die rechtzeitige Absendung des Briefes zumindest glaubhaft gemacht werden muss; dies gelingt nur in den seltensten Fällen. Die Glaubhaftmachung erfordert detaillierte Angaben, wann, wie, wo und wer das Schriftstück zur Post gegeben hat. Die Ablage in einem internen Postkorb reicht nicht aus, es kommt darauf an, wann das Schriftstück in den Verantwortungsbereich des befördernden Unternehmens gelangt ist. Insoweit trägt der Betroffene das mit der gewählten Versendungsart verbundene Risiko, das er sorgfältig abwägen muss. Erforderlich ist stets eine einzelfallbezogene Betrachtung.
Der nach Aufgabe zur Post erfolgte Verlust eines Briefes fällt nicht dem Absender zur Last. Steht Aufgabe zur Post außer Zweifel, so ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Tz. 21
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei einem Streik des Postunternehmens kann die Verzögerung der Postlaufzeit nicht zulasten des Absenders gehen. Insoweit ist bei Glaubhaftmachung rechtzeitiger Aufgabe Wiedereinsetzung zu gewähren. Etwas anderes kann aber gelten, wenn das Unternehmen schon erheblich vor Fristablauf auf verlängerte Laufzeiten hingewiesen hat und dem Versender andere zumutbare Übermittlungsmethoden zur Verfügung stehen. Dies wird bei professionellen Einreichern in der Regel der Fall sein (Telefax, E-Mail). Ggf. muss der Betroffene auch einen Einwurf in den Briefkasten des Empfängers in Erwägung ziehen. Letztlich ist auch hier eine Einzelfallprüfung möglich, die sich auch auf die Zumutbarkeit anderer Übermittlungsmöglichkeiten erstreckt