Tz. 44

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Liegt ein Ermessensfehler vor (s. Rz. 36 ff.), so hebt das FG den angefochtenen Verwaltungsakt auf (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ansonsten weist es die Klage ab. Es darf sein Ermessen im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen (s. Rz. 33). Für die gerichtliche Prüfung einer Ermessensentscheidung gem. § 102 Satz 1 FGO kommt es mithin nicht darauf an, ob das Gericht bestimmte Ermessenserwägungen der Behörde für überzeugend hält, sie also in gleicher oder ähnlicher Weise angestellt hätte, sondern allein darauf, ob die nach dem Sinn und Zweck der Ermessensvorschrift in Betracht kommenden Erwägungen angestellt wurden und ob die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen dem Zweck der Ermächtigung entsprechen und somit sachgerecht sind oder ob für die Entscheidung sachwidrige Erwägungen bestimmend waren (BFH v. 28.09.2010, VII R 45/09, BFH/NV 2011, 391).

 

Tz. 45

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Hat die beklagte Behörde ihre Ermessenserwägungen zulässigerweise nach § 102 Satz 2 FGO ergänzt (s. Rz. 15), so kann ein Ermessensfehlgebrauch (s. Rz. 37 ff.) beseitigt werden. Der angefochtene Verwaltungsakt ist dann rechtmäßig, und die Klage ist abzuweisen. In diesem Fall dürften die Verfahrenskosten dem Beklagten gem. § 137 Satz 1 FGO aufzuerlegen sein (s. § 102 FGO Rz. 4). Eine Ermessensüberschreitung (s. Rz. 36) und ein Ermessensausfall (s. Rz. 41 f.) sind demgegenüber nicht nach § 102 Satz 2 FGO heilbar (s. Rz. 15), sodass bei dieser Art von Ermessensfehlern der angefochtene Verwaltungsakt zwingend aufzuheben ist. Zur Problematik der Ersetzung eines angefochtenen Ermessensverwaltungsakts nach Ergehen der Einspruchsentscheidung und der Anwendung des § 68 FGO im Verhältnis zu § 102 FGO s. § 68 FGO Rz. 4a.

 

Tz. 46

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 127 AO kommt bei der Anfechtung von Ermessensverwaltungsakten nur ausnahmsweise zur Anwendung. Hiernach können Verwaltungsakte, die nicht nach § 125 AO nichtig sind, nicht alleine wegen Verfahrens- oder Formfehlern aufgehoben werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte ergehen können. Bei Ermessensentscheidungen ist aber regelmäßig davon auszugehen, dass eine andere Entscheidung hätte ergehen können, sodass formell rechtswidrige Ermessensentscheidungen i. d. R. aufzuheben sind (BFH v. 02.08.2012, V B 68/11, BFH/NV 2013, 243; § 127 AO Rz. 8). Etwas anderes gilt nur bei einer Ermessensreduzierung auf null (BFH v. 16.11.2005, X R 3/04, BFH/NV 2006, 387; BFH v. 19.01.2011, X B 14/10, BFH/NV 2011, 759; BFH v. 02.08.2012, V B 68/11, BFH/NV 2013, 243; s. Rz. 34; s. § 127 AO Rz. 8).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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