Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift regelt die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass von Haftungs- und Duldungsbescheiden und die Form dieser Bescheide (BFH v. 24.02.1987, VII R 4/84, BStBl II 1987, 363; BVerwG v. 07.07.1989, 8 C 85.87, DVBl 1989, 1211). Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die zugrunde liegenden Haftungs- und Duldungsansprüche ergeben sich aus den einzelnen gesetzlichen Haftungsvorschriften (s. vor §§ 69 bis 77 AO Rz. 3 ff.). Da § 191 Abs. 1 AO lediglich die verfahrensrechtliche Form der Geltendmachung von Haftungsansprüchen betrifft, folgt aus der vom Gesetz angeordneten Haftung für steuerliche Nebenleistungen i. S. des § 3 Abs. 4 AO (s. § 69 Satz 2 AO, § 71 AO), dass auch diese durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden können (Loose in Tipke/Kruse, § 191 AO Rz. 14). Für die Inanspruchnahme des Haftenden für steuerliche Nebenleistungen durch Haftungsbescheid macht es keinen Unterschied, ob sich die Haftung aus Steuergesetzen oder aus anderen Rechtsquellen ergibt (BFH v. 24.02.1987, VII R 4/84; BStBl II 1987, 363). Deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB können nach Auffassung des BFH nicht durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden, sondern sind auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen (BFH v. 19.12.2013, III R 25/10, BStBl II 2015, 119).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wenngleich der Haftungsanspruch denknotwendig das Entstandensein des ihm zugrundeliegenden Steueranspruchs voraussetzt, darf ein Haftungsbescheid auch schon vor Erlass des Steuerbescheids ergehen (BFH v. 28.02.1973, II R 57/71, BStBl II 1973, 573; BVerwG v. 16.09.1997, 8 B 143.97, BStBl II 1997, 782: entsprechendes gilt für Zinsen). Das ergibt sich aus § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO. Im Fall der Haftung für einen Rückforderungsanspruch ist allerdings erforderlich, dass die der Erstattung zugrundeliegenden Bescheide korrigiert sind (BFH v. 14.03.2012, XI R 6/10, BStBl II 2014, 607). Dagegen setzt die Geltendmachung der dinglichen Haftung durch Duldungsbescheid voraus, dass der zugrundeliegende Steueranspruch festgesetzt, fällig und vollstreckbar ist (BVerwG v. 13.02.1987, 8 C 25.85, BStBl II 1987, 475).