I. Allgemeines
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Bindungswirkung der Folgebescheide an die in Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen nach § 182 Abs. 1 AO ist notwendige Folge von Zweck und Inhalt des Feststellungsbescheids und seiner dienenden Funktion für die Besteuerung. Folgebescheide können andere Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide, Steuerbescheide und Steueranmeldungen sein. Die Regelungen im Grundlagenbescheid müssen ohne weitere Überprüfung im Verfahren um den Erlass eines Steuerbescheids (Folgebescheid) durch die Finanzbehörde im Folgebescheid übernommen werden (AEAO zu § 175, Nr. 1.2). Aufgrund der Bindungswirkung ist die Finanzbehörde selbst dann an die in einem Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen gebunden, wenn ihr deren Unrichtigkeit bekannt ist. Das Folgebescheids-FA hat keine Ermittlungskompetenz und darf über einen Sachverhalt, über den im Feststellungsbescheid entschieden ist, im Folgeverfahren nicht abweichend entscheiden (BFH v. 18.04.2012, X R 34/10, BStBl II 2012, 647; BFH v. 18.07.2012, X R 28/10, BStBl II 2013, 444). Zum Erlass des Folgebescheids bei fehlendem Grundlagenbescheid s. § 155 AO Rz. 16 ff., insbes. Rz. 22.
Tz. 1a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids bestimmt sich grundsätzlich nach dessen Verfügungssatz und damit danach, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Behörde Besteuerungsgrundlagen in den Tenor dieses Verwaltungsakts aufgenommen hat (BFH v. 15.07.1986, VIII R 154/85, BStBl II 1986, 896, 898). In gleicher Weise wie bei der Beurteilung von Steuerbescheiden sind deshalb auch bei Feststellungsbescheiden von dessen "Regelungen" – d. h. den mit den einzelnen Verfügungssätzen festgestellten Besteuerungsgrundlagen – die diesen zugrunde liegenden Erwägungen rechtlicher und tatsächlicher Art ("Gründe") zu unterscheiden (BFH v. 08.11.2005, VIII R 21/01, BFH/NV 2006, 491 m. w. N.). Für die hiernach erforderliche Abgrenzung zwischen den bindenden Verfügungssätzen und deren (bloßer) Begründung bedarf es der – in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbaren (BFH v. 12.06.1997, I R 72/96, BStBl II 1997, 660) – Auslegung des Feststellungsbescheids. Dabei ist entsprechend § 133 BGB darauf abzustellen, wie der verständige Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste.
II. Gegenstand und Voraussetzungen der Bindungswirkung
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bindungswirkung besagt, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen für die Folgebescheide verbindlich sind, soweit die Feststellungen für diese von Bedeutung sind. Dies hängt grundsätzlich von der Abgrenzung der den Grundlagenbescheiden einerseits und den Folgebescheiden andererseits zugewiesenen Regelungsbereiche ab (BFH v. 11.12.1997, III R 14/96, BStBl II 1999, 401; BFH v. 23.08.2000, X R 63/96, BFH/NV 2001, 729 m. w. N.). Was durch Grundlagenbescheid zu regeln ist, darf nicht durch Folgebescheid geregelt werden und umgekehrt (BFH v. 12.07.1989, X R 32/86, BFH/NV 1990, 366). Ein wirksamer Feststellungsbescheid entfaltet auch insoweit Bindungswirkung, als der von ihm erfasste Sachverhalt nicht im Rahmen des Folgebescheidsverfahrens überprüft werden darf; wegen der Ausnahmeregelung des § 155 Abs. 2 AO s. § 155 AO Rz. 16. Der Umfang der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids wird grundsätzlich nach dessen Verfügungssatz und damit danach bestimmt, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Behörde Besteuerungsgrundlagen in den Tenor dieses Verwaltungsakts aufgenommen hat, nicht jedoch nach den Gründen; diese können zur Bestimmung seines Tenors nur dann herangezogen werden, wenn der Verfügungssatz selbst Raum zu Zweifeln über seinen Inhalt lässt (BFH v. 08.11.2005, VIII R 11/02, BStBl II 2006, 253 m. w. N.; BFH v. 18.07.2012, X R 28/10, BStBl II 2013, 444). Gegebenenfalls bedarf es der Auslegung des Feststellungsbescheids. Hierbei ist entsprechend § 133 BGB darauf abzustellen, wie ein verständiger Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (BFH v. 10.05.2016, IX R 4/15, BFH/NV 2016, 1425). Die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids reicht grundsätzlich nur so weit wie sein notwendiger oder möglicher, d. h. nach den einzelnen Gesetzesbestimmungen zulässiger Inhalt; bindend sind dabei sowohl die positiven wie die negativen Feststellungen (BFH v. 09.03.1995, X B 242/94, BFH/NV 1995, 858 m. w. N.).
Tz. 2a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Feststellungswirkung eines gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheids bezieht sich stets nur auf die gemeinschaftlich in der Personengesellschaft/-gemeinschaft verwirklichten Tatbestandsmerkmale, nicht aber auf Tatbestandsmerkmale außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkünfteerzielung. Diese treten vielmehr zu den verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen im Bereich der persönlichen Tatbestandsverwirklichung der Gesellschafter hinzu. Sie gehören nicht in den Regelungsbere...