Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Einseitige Erledigungserklärung des Beklagten: Erklärt nur die beklagte Behörde die Hauptsache für erledigt, ohne dass der Kläger sich dieser Erklärung anschließt, so ist über die Klage zu entscheiden (BFH v. 20.07.2006, VI R 22/03, BFH/NV 2006, 2109; BFH v. 18.08.2010, X S 22/10 [PKH], BFH/NV 2010, 2108). Denn die einseitige Erledigungserklärung des Beklagten ist lediglich als Anregung an das Gericht anzusehen, zu prüfen, ob die Hauptsache erledigt ist (z. B. BFH v. 20.07.2006, VI R 22/03, BFH/NV 2006, 2109; Brandis in Tipke/Kruse, § 138 FGO Rz. 47). Kommt dabei das Gericht zu dem Ergebnis, dass sich die Hauptsache materiell erledigt hat, so ist die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen, weil für die Klage oder das Rechtsmittel kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht (z. B. BFH v. 05.03.1979, GrS 4/78, BStBl II 1979, 375; BFH v. 22.09.1999, VII B 82/99, BFH/NV 2000, 335; BFH v. 18.08.2010, X S 22/10 [PKH], BFH/NV 2010, 2108; BFH v. 23.05.2016, X R 54/13, BFH/NV 2016, 1457; Dänzer-Vanotti, StuW 1978, 158).

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Voraussetzung ist (grds.) jedoch die (ursprüngliche) Zulässigkeit der Klage (BFH v. 26.01.1971, VII B 137/69, BStBl II 1971, 306; BFH v. 08.09.1999, VII B 84/99, BFH/NV 2000, 571; BFH v. 27.11.2013, X B 162/12, juris; a. A. offenbar BFH v. 15.12.1986, IV R 251/83, BFH/NV 1988, 182; BFH v. 25.07.1991, III B 10/91, BStBl II 1991, 846; auch Ratschow in Gräber, § 138 FGO Rz. 9; Brandis in Tipke/Kruse, § 138 FGO Rz. 38 ff.). Bei einer von Anfang an unzulässigen Klage kann ein die Hauptsache erledigendes Ereignis für die Entscheidung nie ursächlich werden, weil die Hauptsache nicht an das Gericht gelangt ist, es also nicht über sie entscheiden kann. Abzulehnen ist daher die Auffassung des BFH, wonach der vollmachtlose Vertreter die Erledigung der Hauptsache erklären könne (BFH v. 13.12.1972, I B 42/72, BStBl II 1973, 532). Bei Unzulässigkeit des eingelegten Rechtsbehelfs kann das Gericht materiell nicht entscheiden; demgemäß kann sich der Rechtsstreit in der Hauptsache, die der Entscheidungsbefugnis des Gerichts wegen der Unzulässigkeit nicht unterliegt, nicht erledigen. Demgegenüber werden die beiderseitigen Erledigungserklärungen als Prozessvereinbarung der Beteiligten im Rahmen der ihnen zustehenden Dispositionsbefugnis gewertet, und es wird daher die Erledigung des Rechtsstreits ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit der Klage angenommen (BFH v. 08.08.1974, IV R 131/73, BStBl II 1974, 749; ebenso BFH 25.07.1991, III B 10/91, BStBl II 1991, 846 bei unzulässiger NZB; FG He v. 15.01.2001, 11 K 4503/00, NJW 2001, 1159). Die Unzulässigkeit der Klage soll sich lediglich auf die Kostentragungspflicht auswirken (Nichtanwendung von § 138 Abs. 2 FGO). Abgesehen davon, dass sich die vorgenannten Entscheidungen nicht mit BFH v. 26.01.1971, VII B 137/69, BStBl II 1971, 306, auseinandersetzen, handelt es sich im hier entschiedenen Fall um eine trotz der Unzulässigkeit der Klage verfahrensrechtlich mögliche materielle Klaglosstellung, eine Voraussetzung, die häufig bei unzulässigen Anfechtungsklagen wegen der Bestandskraft der Vorentscheidung nicht erfüllbar ist. Zutreffend ist daher die Auffassung, dass der Kläger die Hauptsache nicht für erledigt erklären kann, wenn sich ein Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt und der Kläger dennoch eine Anfechtungsklage erhoben hat (BFH v. 19.05.1976, I R 154/74, BStBl II 1976, 785). Wenn auch – wie ausgeführt – die formelle Hauptsachenerledigung nicht zwingend eine tatsächliche materielle Hauptsachenerledigung voraussetzt, wird diese doch regelmäßig der Beweggrund für die Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärung durch die Beteiligten sein. Eine Prüfung, ob sich die Hauptsache auch materiell erledigt hat, kommt für das Gericht jedoch nur dann in Betracht, wenn die materielle Erledigung der Hauptsache streitig ist oder wenn der Beklagte – was zulässig ist (BFH v. 26.08.1980 BStBl II 1981, 307; BFH v. 03.04.2000, I B 68/99, BFH/NV 2000, 1226) – neben dem Begehren auf Abweisung der Klage hilfsweise die Hauptsache für erledigt erklärt.

 

Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Grds. soll allerdings das Schweigen des Klägers nach dem Erlass eines Änderungsbescheids, mit dem er sein Klageziel voll erreicht hat, als Erledigungserklärung zu werten sein (BFH v. 12.07.1979, IV R 13/79, BStBl II 1979, 705; BFH v. 21.05.1987, IV R 101/86, BFH/NV 1988, 258). Dies gilt jedoch nicht, wenn die Kostenfolge der Hauptsachenerledigung im Einzelfall ungünstiger sind als diejenigen der Klagerücknahme (dazu z. B. Bartone, AO-StB 2001, 56). Im Revisionsverfahren ist im Fall der Hauptsachenerledigung unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Klage als unzulässig abzuweisen (BFH v. 05.03.1979, GrS 4/78, BStBl II 1979, 375; BFH v. 22.09.1999, VII B 82/99, BFH/NV 2000, 335). Ist die Finanzbehörde Revisionsbeklagter, weil der Kläger gegen das die Klage (als unbegründet) abweisende Urteil Revision eingelegt ...

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