Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO muss die Begründung die Revisionsgründe angeben und zwar zum einen die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (s. Rz. 11, 12) und zum anderen für die Verfahrensrüge weitergehend die Bezeichnung der Tatsachen, die den (Verfahrens)Mangel ergeben (s. Rz. 13–15). Die Differenzierung hat ihre Ursache darin, dass sich materiellrechtliche Mängel der Entscheidung des FG in aller Regel aus dem angefochtenen Urteil ergeben, während es bei Verfahrensmängeln auf den Ablauf des Verfahrens ankommt, der sich nur selten unmittelbar aus der Entscheidung entnehmen, sondern sich aus den Prozessakten ergibt. Welche Rügen der Revisionskläger erhebt und welche Begründungsanforderungen dementsprechend erfüllt sein müssen, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, ist nicht erforderlich, dass der Revisionskläger die aus seiner Sicht unzutreffend angewandte Rechtsnorm ausdrücklich benennt. Da der BFH aber nur die Rechtsanwendung des FG zu überprüfen hat, muss sich aus dem Vorbringen zumindest mittelbar ergeben, welchen Rechtsverstoß das FG begangen haben soll. In der Regel erfordert dies, dass sich der Revisionskläger mit den Tatbestandsmerkmalen der der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsnorm befasst und sich mit der diesbezüglichen Begründung des FG auseinandersetzt (BFH v. 18.06.2015, IV R 5/12, BStBl II 2015, 935; BFH v. 14.04.2016, VI R 13/14, BStBl II 2016, 778). Deshalb reicht auch umgekehrt die bloße Benennung einer vermeintlich verletzten Vorschrift nicht aus. Stützt sich der Revisionskläger auf die Verletzung ungeschriebener Rechtsgrundsätze, muss sich aus dem Vorbringen eindeutig ergeben, welcher Rechtsgrundsatz Anwendung findet und wodurch das FG diesen verletzt haben soll. Diese strengen Anforderungen, die auch im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommen ("bestimmte Bezeichnung der Umstände") finden ihre Rechtfertigung darin, dass der BFH schon aufgrund des Vorbringens des Revisionsklägers in die Lage versetzt werden soll, die maßgeblichen Streitpunkte zu erkennen (Entlastungsgedanke) – auch wenn der BFH bei der rechtlichen Würdigung nicht an die vorgebrachten Rügen gebunden ist. Zugleich soll damit bewirkt werden, dass sich der Revisionskläger mit seinem eigenen Vorbringen erneut befasst (BFH v. 21.08.1996, I R 80/95, BStBl II 1997, 134). Auf diese Weise werden Revisionen "ins Blaue hinein" vermieden. Diesen Vorgaben entspricht es, dass der Revisionskläger bei Entscheidungen des FG, die auf verschiedene rechtliche Erwägungen gestützt sind, auf jede dieser eingehen muss, da er ansonsten das Risiko eingeht, dass die Revision unzulässig ist.
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Keinesfalls ausreichend sind nur formelhafte Erwägungen, die keinen Bezug zur angefochtenen Entscheidung aufweisen, bei Rüge der Verfassungswidrigkeit z. B. nur die unspezifizierte Angabe eines abstrakten Verfassungsgrundsatzes. Auch die Bezugnahme auf die Klageschrift genügt nicht, ebenso wenig die wörtliche Wiedergabe früherer schriftlicher Ausführungen zur Klagebegründung; auch nicht der bloße Hinweis auf einen bestimmten Steuerrechtskommentar bzw. sonstige Literaturstellen ohne Darstellung, welche Auffassung – bezogen auf den Streitfall – dort vertreten wird und erst recht nicht die bloße Einreichung einer Abschrift der Einspruchsbegründung. Die Bezugnahme auf das Vorbringen in einer parallelliegenden Revisionssache kann nur dann als ausreichend angesehen werden, wenn der Revisionsbegründung eine Abschrift des in der anderen Sache eingereichten Schriftsatzes beigefügt und ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht ist. Das gilt auch dann, wenn das angefochtene Urteil auf das in der anderen Sache angefochtene Urteil Bezug nimmt (zu den Voraussetzungen allgemein BFH v. 25.08.2006, VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122 m. w. N.). Allein der gleichzeitige Eingang beider Revisionsbegründungsschriften macht die Bezugnahme nicht zulässig (BFH v. 30.06.1987, VIII R 104/83, BFH/NV 1988, 306). Auch kann die Bezugnahme auf das schriftliche Gutachten eines privaten Sachverständigen die eigene verantwortliche Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten zur Würdigung des Streitstoffes nicht ersetzen; sie stellt selbst dann die unzureichende Einreichung einer fremden Begründung dar, wenn der Bevollmächtigte sie sich zu eigen macht (BFH v. 16.10.1984, IX R 177/83, BStBl II 1985, 470). Dagegen reicht die Bezugnahme auf die Begründung der NZB ausnahmsweise aus, allerdings nur, wenn diese Begründung auch unter Berücksichtigung des Zulassungsbeschlusses ihrem Inhalt nach zur Begründung der Revision genügt (BFH v. 12.05.2011, IV R 36/09, BFH/NV 2011, 2092); das ist nicht der Fall, wenn mit der Beschwerde mehrere Zulassungsgründe geltend gemacht worden waren und die Revisionsbegründung nicht erkennen lässt, auf welchen dieser Gründe die Revision gestützt...