Tz. 40
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Erstmalig gestellte oder ausgeübte Anträge oder Wahlrechte sind grds. keine rückwirkenden Ereignisse i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sondern Verfahrenshandlungen (ausführlich von Wedelstädt, AO-StB 2012, 150, 153 m. w. N.). Für die anderweitige Ausübung der Pauschalierungswahlrechte nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG und nach § 37b Abs. 2 Satz 1 EStG hat der BFH die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bejaht (BFH v. 15.06.2016, VI R 54/15, BStBl II 2016, 1010). Steuerliche Rückwirkung kann einem Antrag zukommen, wenn er selber Teil des gesetzlichen Tatbestands des Steueranspruchs ist und somit unmittelbar rechtsgestaltend wirkt (von Wedelstädt in Gosch, § 175 AO Rz. 50 m. w. N.). So stellt der (vor Eintritt der Bestandskraft gestellte) Antrag des einen Ehegatten auf getrennte Veranlagung hinsichtlich des gegenüber dem anderen Ehegatten ergangenen (bestandskräftigen) Zusammenveranlagungsbescheids ein rückwirkendes Ereignis dar (z. B. BFH v. 03.03.2005, III R 22/02, BStBl II 2005, 690; BFH v. 28.07.2005, III R 48/03, BStBl II 2005, 865; BFH v. 15.12.2005, III R 49/05, BFH/NV 2006, 933; Rüsken in Klein, § 175 AO Rz. 73; AEAO zu § 175, Nr. 2.4 – §§ 26 bis 26b EStG; hierzu Nieland, AO-StB 2005, 263). Dies gilt indessen nicht, wenn beide Ehegatten für den betreffenden Veranlagungszeitraum bereits bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt sind (BFH v. 25.09.2014, III R 5/13, BFH/NV 2015, 811). Dies gilt entsprechend für einen erweiterten Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen im Wege des Realsplittings nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG: Grds. wirkt dieser zurück (BFH v. 28.06.2006, XI R 32/05, BStBl II 2007, 5), allerdings nicht, wenn der Antrag erst nach Eintritt der Bestandskraft gestellt wird (BFH v. 20.08.2014, X R 33/12, BStBl II 2015, 138). Nach dem BFH soll § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO analog angewandt werden, wenn ein Wahlrecht nach Bekanntgabe, aber vor Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids ausgeübt wird (z. B. BFH v. 19.05.2004, III R 18/02, BStBl II 2004, 980; BFH v. 09.12.2015, X R 56/13, BStBl II 2016, 967, a. A. von Wedelstädt in Gosch § 175 AO Rz. 50.1; von Wedelstädt, AO-StB 2012, 150, 154 m. w. N.; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 83). Im Übrigen s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 15 ff.