Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gegenstand der Verzinsung sind nur (Steuer-)Beträge, die von der Finanzbehörde mit Rücksicht auf die ganz oder teilweise Aufhebung der Anspruchsfestsetzung zurückgezahlt werden müssen oder Steuervergütungen, die von ihr aufgrund einer Gerichtsentscheidung oder im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren entrichtet werden müssen, obwohl die frühere Festsetzung oder Entrichtung geboten gewesen wäre. Der Steuerbegriff entspricht dem des § 3 Abs. 1 AO, sodass auch Zölle und Abschöpfungen Gegenstand der Verzinsung sein können. Die Zinspflicht erstreckt sich auch auf Folgesteuern, wie z. B. die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag (BFH v. 17.01.2007, X R 19/06, BFH/NV 2007, 855). Nicht in den Anwendungsbereich des § 236 AO fallen Steuererstattungsansprüche, die wegen einer Zahlung ohne rechtlichen Grund (z. B. Doppelzahlungen, Überzahlungen, überhöhter Steuereinbehaltung) oder die ohne Änderung einer Steuerfestsetzung erst aufgrund eines Rechtsstreits über einen Abrechnungsbescheid entstehen. In diesen Fällen fehlt es an einer Herabsetzung der festgesetzten Steuer (BFH v. 12.05.1987, VII R 203/83. BStBl II 1987, 702). Auch die Festsetzung einer "negativen Steuerschuld" bei der Umsatzsteuer (Überschuss der Vorsteuerabzugsbeträge) führt zu einem vergütungsähnlichen Anspruch des Berechtigten, der unter den übrigen in der Vorschrift normierten Voraussetzungen zu verzinsen ist. Auch Ansprüche auf Zahlung bzw. Erstattung von Wohnungsbau-, Spar- und Bergmannsprämien sowie Investitionszulagen fallen unter die Vorschrift, weil auf sie die Vorschriften über Steuervergütungen entsprechend anzuwenden sind (§ 8 Abs. 1 Satz 1 WoPG; § 12 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 2010).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nicht unter die Vorschrift subsumiert werden können Beträge, deren Erstattung im Billigkeitswege erstritten wird (BFH v. 20.01.1999, IV B 40/98, BFH/NV 1999, 1055), Beträge, die wegen Aufhebung oder Herabsetzung eines Haftungsbescheids zu erstatten sind (BFH v. 25.07.1989, VII R 15/86, BStBl II 1989, 821; BFH v. 25.02.1997, VII R 39/86, BStBl II 1998, 2; BFH v. 23.08.2012, VI B 53/12, BFH/NV 2012, 1938) und kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 233 Satz 2 AO) die Ansprüche auf Rückzahlung entrichteter steuerlicher Nebenleistungen. Deshalb müssen auch erstrittene Zinsansprüche nicht verzinst werden.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei einer Klage auf marktordnungsrechtliche besondere Vergünstigungen fallen auch bei stattgebender Entscheidung keine Prozesszinsen an. § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG enthält eine Rechtsgrundverweisung, sodass Prozesszinsen nur entstehen, wenn auch die Voraussetzungen des § 236 AO erfüllt sind. Daran fehlt es im Verfahren wegen der Leistungsgewährung, soweit es materiellrechtlich dem steuerlichen Erhebungsverfahren entspricht (BFH v. 29.04.1997, VII R 91/96, BStBl II 1997, 476; BFH v. 06.05.2008 VII R 10/07, BFH/NV 2008, 1714). Art. 241 ZK enthält eine Verweisung auf nationales Recht, sodass eine Verzinsung nur unter den Voraussetzungen des § 236 AO möglich ist.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Über die durch § 236 AO erfassten Tatbestände hinaus hat der EuGH (EuGH v. 27.09.2012, C-113/10, C-147/10, C-234/10, HFR 2012, 1210 – Jülich II; EuGH v. 18.04.2013, C-565/11, HFR 2013, 659 – Irimie; EuGH v. 18.01.2017, C-365/15, ZfZ 2017, 42 – Wortmann) entschieden, dass ein Zinsanspruch sich immer dann ergeben kann, wenn Steuerbeträge oder Abgaben, die unter Verstoß gegen Unionsrecht erhoben worden sind, zu erstatten sind. Der Zinsanspruch leitet sich in diesen Fällen unmittelbar aus dem Unionsrecht ab. Der Zinslauf beginnt – gerade unabhängig von der in § 236 AO grds. vorausgesetzten Rechtshängigkeit – mit dem Tag der zu Unrecht erfolgten Leistung der Steuer oder Abgabe (BFH v. 22.09.2015, VII R 32/14, BStBl II 2016, 323 m. w. N.; BFH v. 05.12.2017, VII B 85/17, BFH/NV 2018, 321). Die Höhe des Zinssatzes richtet sich dabei nach den vergleichbaren nationalen Vorschriften, sodass der Ansatz eines Zinssatzes entsprechend den §§ 236, 238 AO dem vom EuGH geforderten Äquivalenzgrundsatz entspricht.