Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 34 AO begründet ein unmittelbares Pflichtenverhältnis zwischen der Finanzbehörde und den aufgezählten Personen. Mit eigenen Pflichten sind die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen, Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen ausgestattet. Unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 AO treffen bei Letzteren diese Pflichten deren Mitglieder oder Gesellschafter. Die gleichen Pflichten treffen nach § 34 Abs. 3 AO auch Vermögensverwalter, so weit deren Verwaltung reicht.
I. Gesetzliche Vertreter natürlicher Personen
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach bürgerlichem Recht werden Personen, die nicht oder beschränkt geschäftsfähig sind, gesetzlich vertreten. Unter Geschäftsfähigkeit versteht man die Fähigkeit, Willenserklärungen rechtlich wirksam abzugeben. Nach § 79 AO orientiert sich die steuerliche Handlungsfähigkeit (Fähigkeit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen) natürlicher Personen am bürgerlichen Recht (s. § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Geschäftsunfähig ist, wer nicht das siebte Lebensjahr vollendet hat oder wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet – sofern nicht der Zustand seiner Natur nach vorübergehend ist. Wer das siebte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist beschränkt geschäftsfähig. Gesetzliche Vertreter dieser Personen sind die Eltern (s. § 1629 BGB) bzw. der Vormund (s. § 1793 i. V. m. §§ 1773, 1791b, 1791c BGB). Ist ein Betreuer bestellt (Voraussetzung: § 1896 BGB), so ist dieser – beschränkt auf seinen Aufgabenkreis – gesetzlicher Vertreter des Betreuten (s. § 1902 BGB). Zum Betreuer s. § 79 AO Rz. 8 und 13 ff.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gesetzlicher Vertreter ist auch der Pfleger (s. § 1915 i. V. m. § 1793 BGB), sei es im Fall der Abwesenheitspflegschaft (s. § 1911 BGB), sei es im Fall der Pflegschaft für unbekannte Beteiligte (s. § 1913 BGB) oder der Nachlasspflegschaft (s. § 1960 Abs. 2 BGB). Der Nachlasspfleger ist innerhalb seines Aufgabenkreises als gesetzlicher Vertreter für den oder die unbekannten oder noch ungewissen Erben tätig (BFH v. 30.03.1982, VIII R 227/80, BStBl II 1982, 687).
II. Gesetzliche Vertreter juristischer Personen
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Juristische Personen sind Gebilde, die die Rechtsordnung mit der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, ausgestattet hat (Rechtsfähigkeit). Hierzu gehören insbes. die AG, KGaA, GmbH, Genossenschaft, der rechtsfähige Verein, Versicherungsverein aG, die rechtsfähige Stiftung (Vermögensmasse) sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Juristische Personen werden gesetzlich vertreten. Gesetzliche Vertreter sind der Vorstand (AG, FG Mchn v. 23.07.2009, 15 K 3609/06, EFG 2009, 1949, Genossenschaft, eingetragener Verein, rechtsfähige Stiftung, Versicherungsverein aG), abgestellte Mitglieder des Aufsichtsorgans (s. § 15 SEEG) oder geschäftsführende Direktoren der SE (societas europaea – europäische Aktiengesellschaft; s. § 40 SEEG), der Geschäftsführer (GmbH – auch wenn er nur "Strohmann" ist; BFH v. 11.03.2004, VII R 52/02, BStBl II 2004, 579), der Direktor einer Limidet britischen Rechts (FG Mchn v. 25.03.2010, 14 V 244/10, GmbHR 2010, 951), der Abwickler (AG, GmbH, BFH v. 16.12.2003, VII R 77/00, BStBl II 2005, 249, Genossenschaft) im Liquidationsstadium (auch wenn er durch das Gericht bestellt ist) sowie die verfassungsmäßig berufenen Vertreter juristischer Personen des öffentlichen Rechts, z. B. Minister, Regierungspräsident, Landrat, Bürgermeister, Sparkassenvorstand, Intendant, Pfarrer usw. Auch ausländische juristische Personen verfügen nach dem für sie maßgeblichen ausländischen Recht über gesetzliche Vertreter. Werden solche Gesellschaften im Inland tätig, haben deren Vertreter für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu sorgen (Fittkau, StBp 2005, 285).
III. Die Geschäftsführer nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen und Vermögensmassen
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen in diesem Sinne sind offene Handelsgesellschaften (OHG), Kommanditgesellschaften (KG), nicht rechtsfähige Vereine und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts. Nichtrechtsfähige Vermögensmassen sind insbes. nichtrechtsfähige Stiftungen und sonstige Zweckvermögen. Geschäftsführer dieser Gebilde können auch Personen sein, die nicht Gesellschafter sind, wenn sie eine umfassende Vollmacht zur Erfüllung der Aufgaben haben (BFH v. 07.01.2003, VII B 141/02, BFH/NV 2003, 593). Haben diese Gebilde ausnahmsweise keinen zur Vertretung befugten Geschäftsführer, so gilt § 34 Abs. 2 AO.
IV. Mitglieder oder Gesellschafter bei Fehlen eines Geschäftsführers
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Durch § 34 Abs. 2 AO sind insbes. Erbengemeinschaften und sonstige Gemeinschaften des bürgerlichen Rechts angesprochen, die nach den einschlägigen Regelungen keine Organe haben. Zur Erfüllung der Pflichten i. S. des § 34 Abs. 1 AO sind in solchen Fällen alle Mitglieder oder Gesellschafter berufen. Die Finanzbehörde kann sich nach pflichtgemäßem Ermessen an jedes Mitglied oder jeden Gesellscha...