Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Regelung in § 278 Abs. 1 AO, dass die Vollstreckung nach Ergehen des Aufteilungsbescheids nur nach Maßgabe des auf den einzelnen Schuldner entfallenden Betrags erfolgt, ist an sich selbstverständlich, denn die Beschränkung der gegen den einzelnen Gesamtschuldner gerichteten Vollstreckungsmaßnahmen war gerade der Zweck der begehrten Aufteilung. Vollstreckungsmaßnahmen, die unter Nichtbeachtung der durchgeführten Aufteilung einen Gesamtschuldner für Beträge in Anspruch nehmen, die nach dem Aufteilungsbescheid nicht auf ihn entfallen, sind rechtswidrig und im Streitfall im Einspruchs- bzw. Klageverfahren gegen diese Maßnahme aufzuheben.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 278 Abs. 2 AO betrifft einen Sonderfall der Anfechtung einer Vermögensverschiebung zwischen Ehegatten (BFH v. 09.05.2006, VII R 15/05, BStBl II 2006, 738). Die Regelung soll der Vereitelung von Vollstreckungsmaßnahmen durch missbräuchliche unentgeltliche Übertragung von Vermögensgegenständen vorbeugen. Sie eröffnet die Möglichkeit, den Empfänger der unentgeltlichen Zuwendung über den durch § 278 Abs. 1 AO abgesteckten Rahmen hinaus in Anspruch zu nehmen. Auch bei den sog. ehebedingten (unbenannten) Zuwendungen kann die objektive Unentgeltlichkeit der Leistung nicht allein deswegen verneint werden, weil der Zuwendung besondere ehebezogene Motive (etwa Ausgleich für geleistete Mitarbeit) zugrunde liegen (BFH v. 20.09.1994, VII R 40/93, BFH/NV 1995, 485; BFH v. 28.03.2003, VII B 231/02, BFH/NV 2003, 1033; BFH v. 01.07.2009, VII B 78/09, BFH/NV 2009, 1781). Dies gilt auch nach Einführung des Befreiungstatbestands in § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG (BFH v. 16.07.1996, VII B 44/96, BFH/NV 1996, 871).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die zusätzliche Inanspruchnahme ist betragsmäßig bis zur Höhe des gemeinen Werts der Zuwendung (zur Ermittlung bei einem grundschuldbelasteten Grundstück s. BFH v. 29.11.1983, VII R 22/83, BStBl II 1984, 287) begrenzt. Darüber hinaus wird die durch § 278 Abs. 2 Satz 1 AO gedeckte Ausweitung der Inanspruchnahme des Empfängers davon abhängig gemacht, dass die Zuwendung in oder nach dem Veranlagungszeitraum erfolgt, für den noch Steuerrückstände bestehen. Die Rückausnahme durch § 278 Abs. 2 Satz 2 AO für gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke erspart der Vollstreckungsbehörde ein kleinliches Vorgehen.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Wegfall der Vollstreckungsbeschränkung im Fall des § 278 Abs. 2 AO erfolgt kraft Gesetzes (BFH v. 18.12.2001, VII R 56/99, BStBl II 2002, 214). Es ist weder eine Änderung des Aufteilungsbescheids erforderlich, noch muss ein neues Leistungsgebot ergehen (BFH v. 18.12.2001, VII R 56/99, BStBl II 2002, 214; BFH v. 07.03.2006, VII R 12/05, BStBl II 2006, 584; Müller-Eiselt in HHSp, § 278 AO Rz. 4, 19; Werth in Klein, § 278 AO Rz. 4, 7). Auch der Erlass eines Duldungsbescheids ist grundsätzlich nicht erforderlich (a. A. Kraemer, DStZ 1989, 609). Der Erlass eines besonderen Bescheids, der Art und Umfang der Inanspruchnahme festlegt, wird allerdings aus Gründen der Rechtsklarheit für zweckmäßig – jedenfalls für zulässig – erachtet. Die Regelung des Bescheids liegt darin, dass der Betrag bestimmt wird, bis zu dessen Höhe der Zuwendungsempfänger wegen des auf den Übergeber entfallenden Steueranspruchs die Vollstreckung zu dulden hat, und zugleich darin, dass die Behörde mit dem Bescheid zu erkennen gibt, dass sie die betreffenden Vermögensübertragungen nicht gelten lassen, d. h. für Zwecke der Vollstreckung "anfechten" will. Eine Konfusion steht der Inanspruchnahme des anderen zusammenveranlagten Ehegatten, der den Vollstreckungszugriff im Umfang des Wertes unentgeltlicher Zuwendungen des anderen Ehegatten zu dulden hat, nicht entgegen. Soweit das Bestehen der Einkommensteuerschuld Voraussetzung für die Realisierung des gesetzlichen Zugriffsrechts nach § 278 Abs. 2 AO ist, fingiert diese Regelung inzident deren Fortbestehen (BFH v. 07.03.2006, VII R 12/05, BStBl II 2006, 584).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Dieser besondere Duldungsbescheid und auf ihm beruhende Vollstreckungsmaßnahmen sind nicht aufzuheben, wenn Ehegatten zur Einzelveranlagung übergehen (s. § 257 AO Rz. 5). § 278 Abs. 2 AO bietet zwar nach Durchführung der getrennten Veranlagung keine taugliche Rechtsgrundlage für die weitere Vollstreckung, unter den Voraussetzungen von §§ 3, 4, 11 AnfG kann die Vollstreckung jedoch fortgesetzt werden, ohne dass der Erlass eines neuen Duldungsbescheids (§ 191 Abs. 1 AO) erforderlich ist (BFH v. 18.12.2001, VII R 56/99, BStBl II 2002, 214). Allein die Reichweite der Vollstreckung verändert sich. Der nach § 278 Abs. 2 AO Duldungsverpflichtete kann bis zur Höhe des gemeinen Werts der Zuwendung in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob sich der Vermögensgegenstand noch in seinem Vermögen befindet. Der Anspruch aus dem AnfG richtet sich demgegenüber auf Rückgewähr des zugewendeten Gegenstands.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Vom Wortlaut er...