Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 397 Abs. 3 AO nennt den spätesten Zeitpunkt, in dem die Einleitung des Strafverfahrens dem Beschuldigten mitzuteilen ist. Nach § 136 StPO hat dies bei Beginn der ersten Vernehmung des Beschuldigten zu geschehen. Diese wiederum muss spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen stattfinden (s. § 163a Abs. 1 Satz 1 StPO). Wird auf eine Vernehmung verzichtet und dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zu äußern (s. § 163a Abs. 1 Satz 2 StPO), so ist ihm dabei die Einleitung des Strafverfahrens bekannt zu geben. Der Steuerpflichtige hat einen Anspruch zu wissen, in welcher der in § 208 Abs. 1 AO genannten Funktionen die Fahndung nach außen tätig wird (BFH v. 29.10.1986, I B 28/86, BStBl II 1987, 440). Das ist für ihn auch mit Hinblick auf die Reichweite des Steuergeheimnisses wichtig (s. § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO und s. § 393 Abs. 2 AO; BVerfG v. 13.01.1981, 1 BvR 116/77, wistra 1982, 25; BGH v. 15.12.1989, 2 StR 167/89, wistra 1990, 151).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Mitteilungspflicht des § 397 Abs. 3 AO ist nicht nur für strafprozessuale Maßnahmen von Bedeutung, sondern in gleichem Maße für Ermittlungsmaßnahmen im Besteuerungsverfahren. Andernfalls stünde es zur Disposition der Behörde, ab wann die Beschuldigtenschutzrechte der StPO zu beachten sind. Das bedeutet, dass ein Strafverfahren eingeleitet werden muss, wenn ein Anfangsverdacht vorliegt (s. § 152 Abs. 2 StPO). Bevor der Beschuldigte zur Mitwirkung – sei es im Besteuerungsverfahren oder Strafverfahren – aufgefordert wird, ist ihm die Einleitung des Strafverfahrens mitzuteilen und er ist nach § 136 StPO zu belehren (s. § 10 BpO). Nur so wird der Beschuldigte in die Lage versetzt, zu entscheiden, ob er von den ihm strafprozessual zustehenden Mitwirkungsverweigerungsrechten Gebrauch machen will. Vor diesem Hintergrund sind auch die Belehrungspflichten nach § 393 Abs. 1 Satz 4 AO und § 136 StPO zu sehen. Insbes. ein Verstoß gegen die Belehrungspflichten des § 136 StPO bewirkt ein strafprozessuales Verwertungsverbot hinsichtlich der Selbstbelastungshandlungen des Beschuldigten, wenn er seine Mitwirkungsverweigerungsrechte nicht kannte (BGH v. 27.02.1992, 5 StR 190/91, NJW 1992, 1463). Daraus muss in letzter Konsequenz folgen, dass ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht des § 397 Abs. 3 AO ebenfalls ein strafrechtliches Verwertungsverbot begründet (BGH v. 16.06.2005, 5 StR 118/05, NJW 2005, 2723), weil selbst ein Beschuldigter, der § 136 StPO kennt, so lange keinen Anlass hat, über seine strafprozessualen Rechte nachzudenken, solange er nicht weiß, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt wird (Blesinger, wistra 1994, 48). Aus diesem Grund liegt auch die Schwelle des Anfangsverdachts niedrig, um die Beschuldigtenschutzrechte nicht gegenstandslos werden zu lassen (BVerfG v. 06.02.2002, 2 BvR 1249/01, wistra 2002, 135).
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein wegen eines Verstoßes gegen § 397 Abs. 3 AO bestehendes Verwertungsverbot wirkt sich nur für das Strafverfahren aus. Steuerlich können die unter Verstoß gegen § 397 Abs. 3 AO erlangten Ermittlungsergebnisse genutzt werden (s. § 393 AO Rz. 4).