Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen – und das auch schon vor Erhebung der Klage (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO) – bzw., wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist, die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 1. HS FGO und § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO). Das gerichtliche Aussetzungsverfahren ist nach Auffassung des BFH kein Rechtsbehelfsverfahren und kein Rechtsmittelverfahren. Die materielle Entscheidung durch das FG ist nach den gleichen Voraussetzungen wie im behördlichen Aussetzungsverfahren zu treffen. Das FG überprüft nicht die im finanzbehördlichen Aussetzungsverfahren getroffene Entscheidung, sondern hat nach Maßgabe des § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. HS, Abs. 2 Satz 2 FGO eine eigenständige Entscheidung zu treffen (BFH v. 12.05.2000, VI B 266/98, BStBl II 2000, 536).
I. Gericht der Hauptsache
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gericht der Hauptsache ist während des ersten Rechtszugs (§ 35 FGO) das nach § 38 FGO örtlich zuständige FG; wird der Antrag vor Klageerhebung gestellt (s. § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO), so ist dasjenige FG Gericht der Hauptsache, das im Zeitpunkt der Antragstellung für das Hauptsacheverfahren örtlich zuständig ist. Gericht in diesem Sinn ist der geschäftsverteilungsplanmäßig zuständige Senat des FG bzw. der Einzelrichter nach Übertragung (§ 6 FGO). In dringenden Fällen kann nach § 69 Abs. 3 Satz 4 FGO der Vorsitzende entscheiden. Wird der Antrag im Revisionsverfahren gestellt, so ist der BFH Gericht der Hauptsache, im Fall der NZB (§ 116 FGO) ab deren Einlegung (z. B. BFH v. 21.11.2008, III S 58/08, juris; BFH v. 06.03.2006, X S 3/06, BFH/NV 2006, 1138; BFH v. 03.02.2016, V S 39/15, BFH/NV 2016, 1036). Da die Einlegung der NZB die Rechtskraft des angefochtenen finanzgerichtlichen Urteils hemmt (§ 116 Abs. 4 FGO), sind Verwaltungsakte auch während dieses Verfahrens angefochten i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Ist bei Eintritt der Zuständigkeit des BFH beim FG ein Verfahren betreffend die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung anhängig, so ist es durch Beschluss nach § 70 FGO i. V. m. §§ 17ff. GVG an den BFH zu verweisen (z. B. BFH v. 06.11.1996, IV S 5/96, BFH/NV 1997, 252 BFH v. 12.04.2000, III S 4/00, juris). Umgekehrt kann der BFH, wenn er unzulässigerweise angerufen wurde, den Rechtsstreit jedenfalls dann an das zuständige FG verweisen, wenn für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung die besonderen Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO (dazu s. Rz. 12) erfüllt sind (BFH v. 25.11.2003, IV S 15/03, BStBl II 2004, 84; vgl. auch BFH v. 10.02.2011, X S 1/11[PKH], BFH/NV 2011, 827). Dies gilt auch dann, wenn nach Hauptsachenerledigung der Aussetzungssache gem. § 138 FGO über die Gerichtskosten zu entscheiden ist, wenn die AdV während eines Einspruchsverfahrens begehrt wird; auch hierfür ist nur das FG instanziell zuständig (BFH v. 10.12.2012, VIII S 23/12, BFH/NV 2013, 570). Wird ein Rechtsstreit gem. § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, wird das FG zum Gericht der Hauptsache i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO und ist damit für die Entscheidung über den beim BFH im Rahmen eines NZB-Verfahrens gestellten AdV-Antrag zuständig (BFH v. 25.10.2012, X S 21/12, BFH/NV 2013, 229).
II. Antrag
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Gericht kann nur auf Antrag tätig werden (auch s. Rz. 3). Der Antrag muss den Verwaltungsakt, hinsichtlich dessen Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung begehrt wird, bezeichnen. Aus ihm muss hervorgehen, dass und in welchem Umfang der Verwaltungsakt angefochten ist. Im Antrag ist darzulegen, dass entweder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder dass und warum dessen Vollziehung eine unbillige Härte mit sich brächte. Auch Ausführungen zur Frage der Sicherheitsleistung sind geboten und glaubhaft zu machen (z. B. BFH v. 14.06.2006, VII B 317/05, BFH/NV 2006, 1894; auch s. Rz. 23). Bezugnahme auf die Ausführungen in der Klage- bzw. Revisionsbegründungsschrift ist möglich (BFH v. 05.10.2010, X S 27/10, BFH/NV 2011, 274). Ist ein AdV-Antrag auch auf die Beseitigung der Säumnisfolgen gerichtet, kann er insoweit als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO auszulegen sein (BFH v. 19.03.2014, III S 22/13, BFH/NV 2014, 856).
Tz. 7a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wenn das FA zwischen der Stellung des gerichtlichen AdV-Antrags und der Entscheidung des Gerichts den angefochtenen Verwaltungsakt gleichwohl (weiter) vollzieht, kann der Antragsteller die einstweilige Einstellung der Vollstreckung mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) erreichen. Allerdings ist der Antrag mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, wenn damit lediglich dem FA aufgegeben werden soll, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den anhängigen Antrag auf AdV die Vollstreckung einzustellen (BFH v. 11.01.1984, II B 35/...