Tz. 27
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO kann mit dem Einspruch auch gegen behördliche Untätigkeit angegangen werden, und zwar dann, wenn über einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Dabei ist der Einspruch nur statthaft, wenn eine Leistung beantragt wird, die in einem Verwaltungsakt besteht. Bei allen übrigen Leistungen ist bei Untätigkeit sofort die sonstige Leistungsklage zu erheben, ohne dass hier noch ein Einspruchsverfahren zwischengeschaltet werden muss.
Tz. 28
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Welche Frist für eine Entscheidung angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbes. von Umfang und Kompliziertheit des Sachverhaltes einerseits und den besonderen schutzwürdigen Interessen des Antragstellers andererseits. Die Mindestfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO von sechs Monaten für die Untätigkeitsklage kann nicht ohne Weiteres auf den Untätigkeitseinspruch übertragen werden (Seer in Tipke/Kruse, § 347 AO Rz. 27 m. w. N.; Bartone in Gosch, § 347 AO Rz. 75; a. A. Tappe in HHSp, § 347 AO Rz. 210 m. w. N.; Rätke in Klein, § 347 AO Rz. 14). Vielmehr handelt es sich um eine Frage des konkreten Einzelfalles, ob die Frist kürzer oder länger zu bemessen ist und können allgemeine Anhaltspunkte kaum gegeben werden. Entscheidend ist immer die einzelfallbezogene Abwägung konkreter Umstände. Fehlt es an einer Entscheidung über den Untätigkeitsanspruch, kommt auch hier eine Untätigkeitsklage i. S. des § 46 FGO in Betracht (BFH v. 04.06.2014, VII B 180/13, BFH/NV 2014, 1723).
Tz. 29
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ähnlich ist die Frage zu beurteilen, ob ein zureichender Grund dafür vorliegt, dass noch nicht entschieden wurde. Behördliche Organisationsmängel und andere Gründe, die in der Sphäre der Finanzbehörde liegen, gehen dabei grundsätzlich nicht zulasten des Antragstellers. Keine zureichenden Gründe sind auch Schwierigkeiten bei der Rechtsfindung (Keß in Schwarz/Pahlke, § 46 FGO Rz. 81.) oder das Fehlen von Steuerakten (FG Bre v. 25.10.1996, 2 94 210 K 2, EFG 1997, 245). Als zureichender Grund für die Untätigkeit der Finanzbehörde kommt die Aussetzung des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 1 AO bzw. das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO sowie Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung wegen der Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen in Betracht.
Tz. 30
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein vorzeitig erhobener Untätigkeitseinspruch ist unzulässig. Der Mangel wird jedoch geheilt, wenn bis zur Einspruchsentscheidung eine angemessene Frist untätig verstrichen ist (Seer in Tipke/Kruse, § 347 AO Rz. 26). Der Untätigkeitseinspruch ist in der Hauptsache erledigt, wenn während des Einspruchsverfahrens der beantragte Verwaltungsakt erlassen wird. Gegen diesen Verwaltungsakt muss erneut Einspruch eingelegt werden, soll der Eintritt dessen Bestandskraft verhindert werden. Der Untätigkeitseinspruch setzt sich nicht als Einspruch gegen den erlassenen Verwaltungsakt fort. Wird der begehrte Verwaltungsakt jedoch abgelehnt, ist dagegen ohne weiteren Einspruch sogleich Klage zu erheben (Seer in Tipke/Kruse, § 347 AO Rz. 30; a. A. FG Köln v. 21.11.2001, 6 K 1134/01, EFG 2002, 1245).
Tz. 31
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Untätigkeitseinspruch führt zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO (BFH v. 11.11.2015, V B 55/15, BFH/NV 2016, 225; BFH v. 22.01.2013, IX R 1/12, BStBl II 2013, 663). Wer seine Steuererklärung jenseits der Fristen des § 149 Abs. 2 AO abgibt, kann sich, falls das FA vor Ablauf der Festsetzungsfrist keinen Steuerbescheid erlässt, nicht auf Treu und Glauben berufen, wenn er es selbst unterlässt, einen Untätigkeitseinspruch einzulegen (BFH v. 11.11.2015, V B 55/15, BFH/NV 2016, 225; BFH v. 22.01.2013, IX R 1/12, BStBl II 2013, 663).