Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zu Verfahrensmängeln als Revisionsgrund s. § 115 FGO Rz. 21.
Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels verlangt eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Mangel ergeben, unter gleichzeitigem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (BFH v. 13.11.1991, II B 71/91, BFH/NV 1992, 261). Allein die Angabe einer Rechtsnorm, gegen die das FG verstoßen haben soll, reicht nicht aus. Sofern als Verfahrensmangel gerügt wird, das FG habe noch nicht zur Sache entscheiden können, vielmehr das Verfahren nach § 74 FGO aussetzen müssen, bedarf es der Darlegung der zur Verfahrensaussetzung nötigenden Gründe (s. auch BFH v. 12.11.1993, III B 234/92, BStBl II 1994, 401). Wird als Verfahrensmangel die überlange Dauer des FG-Verfahrens gerügt, dann muss vorgetragen werden, dass es bei einer kürzeren Verfahrensdauer zu einer inhaltlich anderen Entscheidung des FG hätte kommen können (BFH v. 20.0.7.2017, VIII B 107/16, BFH/NV 2017, 1458). Zum Begriff des Verfahrensmangels allgemein s. § 115 FGO Rz. 21).
Tz. 21
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels durch NZB setzt nach dem Gesetzeswortlaut nicht prinzipiell voraus, dass der Verfahrensverstoß schon im Verfahren vor dem FG gerügt wurde. Gleichwohl verlangt die Rechtsprechung unter Bezugnahme auf § 155 FGO i. V. mit § 295 Abs. 1 ZPO, dass die Verletzung der betreffenden Verfahrensvorschrift bereits im erstinstanzlichen Verfahren gerügt werden muss. Dies beruht auf der Annahme, dass in bestimmten Fällen (s. § 115 FGO Rz. 28) ein Rügeverzicht möglich ist. Die Rüge sollte sich aus dem Protokoll, bei unterlassener Protokollierung nach einem Antrag auf Protokollberichtigung, oder einem vor der Beratung übersandten Schriftsatz ergeben. Eine Ausnahme ergibt sich dann, wenn sich z. B. der Verstoß unmittelbar aus dem Urteil ergibt (BFH v. 29.03.2016, I B 99/14, BFH/NV 2016, 1282). Naturgemäß kommt ein Verzicht z. B. auf die Rüge der Nichterhebung angebotener Beweise beim Einverständnis mit einer Entscheidung des FG ohne mündliche Verhandlung regelmäßig nicht in Betracht, weil der Mangel für die Beteiligten kaum vor Erlass des Urteils erkennbar wird (BFH v. 10.12.1992, XI R 13/91, BFH/NV 1993, 483). Nach Erlass eines Gerichtsbescheids stellt sich die Frage nicht, da – falls das FG nicht die Revision zugelassen hat – ohnehin nur der Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen ist (§ 90a Abs. 2 FGO); ein etwaiger Verfahrensmangel kann dann im Rahmen des weiteren Verfahrens gerügt werden.
Tz. 22
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Dies vorausgeschickt, bedarf es zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) – sog. Aufklärungsrüge – der Darlegung, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG ungenutzt ließ, warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum sich die Notwendigkeit der Beweiserhebung jedoch dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH v. 28.04.2016, IX B 18/16, BFH/NV 2016, 1173).
Tz. 23
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Soll mit der NZB die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Übergehens eines Beweisantritts als Verfahrensfehler geltend gemacht werden, muss dementsprechend dargelegt werden, in welcher Beziehung Ermittlungsbedarf bestand, es müssen Beweisthema und Beweismittel bezeichnet und dabei angegeben werden, in welchem Schriftsatz (Datum), auf welcher Seite das Beweismittel genannt wurde und inwieweit die Entscheidung des FG unter Zugrundelegung von dessen Rechtsauffassung auf der Nichterhebung des Beweises beruhen kann. Ferner ist darzulegen, dass bei nächster sich bietender Gelegenheit (welcher?) die Nichterhebung des Beweises gerügt oder der Beweisantrag wiederholt wurde bzw. weshalb die Rüge vor dem FG nicht mehr rechtzeitig angebracht werden konnte (BFH v. 15.01.2014, VI B 84/13, BFH/NV 2014, 468). Hat das FG im Urteil dargelegt, weshalb es Aufklärungsbedarf in bestimmter Hinsicht nicht angenommen hat, muss den diesbezüglichen Ausführungen mit schlüssigem Vortrag entgegengetreten werden.
Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten ist der FGO nicht bekannt. Das FG ist aber verpflichtet, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO); dazu gehört auch die Auswertung der dem Gericht vorliegenden Akten. Wird mit der NZB ein Verstoß hiergegen gerügt, so müssen die nach Ansicht des Rechtsmittelführers nicht berücksichtigten Aktenteile genau bezeichnet werden, bzw. bei behauptetem Übergehen schriftsätzlicher Ausführungen ausgeführt werden, welches substantiierte Vorbringen, das in welchem Schriftsatz (Datum, Seitenzahl) enthalten ist, im...