Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Versäumt ein Beteiligter (§ 78 AO) die rechtzeitige Anfechtung eines Steuerverwaltungsakts deshalb, weil dem Verwaltungsakt die nach § 121 AO erforderliche Begründung fehlt oder die nach § 91 AO erforderliche Anhörung unterblieben ist, so gilt nach § 126 Abs. 3 AO die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Diese gesetzliche Fiktion hat damit zwingend gem. § 110 Abs. 1 Satz 1 AO die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Folge, sofern der darauf gerichtete Antrag sowie die Einlegung des Einspruchs innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO erfolgt. Die Monatsfrist beginnt nach der ausdrücklichen Regelung des § 126 Abs. 3 Satz 2 AO mit dem Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung. Da in diesen Fällen die Begründung für die unverschuldete Fristversäumnis der Behörde bereits bekannt ist und ihr daher nicht mehr mitgeteilt sowie glaubhaft gemacht zu werden braucht, ist Wiedereinsetzung auch ohne Antrag zu gewähren, wenn der Beteiligte die Anfechtung des Verwaltungsakts innerhalb der Antragsfrist nachholt (s. § 110 Abs. 2 Sätze 3 und 4 AO). Allerdings ist in jedem Fall unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, dass die behördliche Unterlassung für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist ursächlich war (so auch BFH v. 06.12.1988, IX R 158/85, BFH/NV 1989, 561 m. w. N.). Die erforderliche Kausalität ist nicht gegeben, wenn zwar die Anhörung unterlassen wurde, die Abweichung von der Steuererklärung aber im Steuerbescheid erläutert wurde, oder wenn im Steuerbescheid auf Abweichungen hingewiesen worden ist, ohne dass diese im Einzelnen erläutert wurden, oder wenn der Steuerpflichtige die Abweichung von seiner Steuererklärung erkannt hat (BFH v. 29.02.2012, IX R 3/11, BFH/NV 2012, 915; BFH v. 30.04.2014, X B 244/13, BFH/NV 2014, 1350; BFH v. 10.07.2001, III B 75/00, BFH/NV 2002, 5). Zweifel an der Kausalität gehen zulasten der Finanzbehörde (s. BFH v. 13.12.1984, VII R 19/81, BStBl II, 1985, 601 f.). Der Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ablauf eines Jahres nach § 110 Abs. 3 AO gilt auch hier.