Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 78 Nr. 3 AO nennt als Beteiligte diejenigen, mit denen die Finanzbehörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat. Öffentlich-rechtliche Verträge sind dem Steuerrecht grundsätzlich fremd (zur Frage, ob es sich um ein Redaktionsversehen handelt s. BFH v. 11.12.1984, VII R 131/76, BStBl II 1985, 354, 357). Eine gesetzliche Ausnahme bildet § 224a AO. Die Finanzverwaltung ist innerhalb ihres besonderen hoheitlichen Kompetenzbereichs durch Gesetz zur einseitig ordnenden Regelung der aus den Lebenssachverhalten resultierenden Steuerrechtsverhältnisse gezwungen. Im Steuerrecht muss die Behörde die öffentlich-rechtlichen Maßnahmen in Form von Verwaltungsakten treffen.

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag liegt nur vor, wenn durch ihn ein Rechtsverhältnis begründet wird, das seinerseits dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist (s. § 54 Satz 1 VwVfG). Die aus ihm entspringenden Rechte und Pflichten dürfen daher nicht solche des Zivilrechts sein. Anders ausgedrückt: Das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis müsste in gleicher Weise auch durch einen Verwaltungsakt gestaltet werden können (s. § 54 Satz 2 VwVfG).

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Regelung des öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnisses durch vertragliche Vereinbarungen ("Steuervereinbarung") oder durch Vergleich (s. § 779 BGB) zwischen dem Steuerschuldner und der Finanzverwaltung bzw. der ertragsberechtigten Körperschaft des öffentlichen Rechts ist in der AO nur in § 224a AO und im Übrigen auch nicht in den Einzelsteuergesetzen vorgesehen (zur Problematik der tatsächlichen Verständigung s. vor § 204 AO Rz. 15 ff.). Solche Regelungen widersprechen dem Charakter des Steuerschuldverhältnisses (s. § 38 AO Rz. 1 f.). Die Festsetzung und Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hat zwingend durch Verwaltungsakt zu erfolgen. Nur Verwaltungsakte dienen als Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (s. § 218 Abs. 1 AO). Sind diese im Einzelfall von der Zustimmung des Betroffenen abhängig (s. § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO), so ist dies nicht als öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen. Auch hier trifft also ausschließlich die § 78 Nr. 2 AO zu. Auch Verwaltungsakte, deren Inhalt im Ermessen der Finanzbehörde steht (s. § 5 AO und §§ 163, 227 AO), können nicht durch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen ersetzt werden. Selbst wenn der Steuerpflichtige mit der Finanzbehörde Verhandlungen über eine Billigkeitsregelung geführt hat, darf diese nur durch Verwaltungsakt getroffen werden, sodass auch hier wiederum § 78 Nr. 2 AO einschlägig ist.

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Ausnahme von der Vereinbarungsfeindlichkeit des Steuerrechts macht § 224 aAO. Der in dieser Vorschrift vorgesehene öffentlich-rechtliche Vertrag betrifft nur das Erhebungsverfahren und auch dort nur die Zulässigkeit der Tilgung einer Steuerschuld durch Hingabe von Kunstgegenständen an Zahlungs Statt. Der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift wird dadurch unterstrichen, dass sie nur anwendbar ist, wenn es sich bei der Steuerschuld um Erbschaft- oder Vermögensteuer handelt. Der Steuerpflichtige ist auch hier als Adressat des die Steuerschuld konkretisierenden Steuerbescheides Beteiligter i. S. der § 78 Nr. 2 AO. Nur hinsichtlich der Frage, ob die Steuerschuld durch die Übereignung von Kunstgegenständen getilgt werden darf, eröffnet sich die Möglichkeit einer vertraglichen Vereinbarung und nur in diesem eng umgrenzten Bereich ist der Steuerpflichtige Beteiligter i. S. der § 78 Nr. 3 AO.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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