Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 163 AO betrifft den Erlass aus Billigkeitsgründen im Festsetzungsverfahren. Der Billigkeitserlass im Erhebungsverfahren ist in § 227 AO geregelt. § 163 AO bezweckt, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls (AEAO zu § 163, Nr. 1 Satz 3), die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen, m. a. W., wenn die Steuerfestsetzung zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes widerspricht, der Gesetzgeber also die Grundlagen der Besteuerung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (BFH v. 21.07.2016, X R 11/14, BStBl II 2017, 22; BFH v. 23.08.2017, I R 80/15, BStBl II 2018, 141). Die Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist nicht gerechtfertigt, um eine für den Stpfl. ungünstige Rechtsfolge, die vom Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen wurde, zu beseitigen (BFH v. 23.08.2017, I R 80/15, BStBl II 2018, 141). Sie ist ebenso wie die nach § 227 AO nicht dazu bestimmt, die Rechtmäßigkeitsprüfung von Steuerfestsetzungs- oder Feststellungsbescheiden im Rahmen der dafür vorgesehenen Rechtsmittelverfahren und sonstigen Rechtsbehelfsverfahren zur Änderung dieser Bescheide zu unterlaufen (BFH v. 28.01.2015, I R 70/13, BStBl II 2017, 101; Rüsken in Klein, § 163 AO Rz. 40 m. w. N.). Nach § 163 AO wird über die Billigkeitsmaßnahme im Steuerfestsetzungsverfahren (oder den ihm gleichgestellten Verfahren, s. Rz. 3) entschieden, und zwar entweder durch eine vom Gesetz abweichende niedrigere Festsetzung der Steuer ohne Auswirkung auf die der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen bzw. durch Außerachtlassung von steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen oder – beschränkt auf die Steuern vom Einkommen – durch zeitliche Verschiebung der steuerlichen Auswirkung einzelner Besteuerungsgrundlagen. Von "Billigkeitsmaßnahme im Steuerfestsetzungsverfahren" zu sprechen ist irreführend, weil die Maßnahme keine Entscheidung des Festsetzungsverfahrens ist, sondern sich nur unmittelbar auf die Steuerfestsetzung auswirkt, indem sie das Ergebnis der Steuerfestsetzung verändert (s. Rz. 23).
Tz. 1a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 01.01.2017 (dazu Art. 97 § 29 EGAO) geändert und um die Abs. 3 und 4 ergänzt worden.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Billigkeitsverfahren nach § 163 AO und § 227 AO stehen selbstständig ohne eine Vorrangigkeit des einen oder des anderen nebeneinander, eine zeitliche Reihenfolge ihrer Anwendbarkeit besteht nicht. § 163 AO setzt nicht voraus, dass das Festsetzungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Die Bestandskraft der Steuerfestsetzung steht dem Billigkeitsverfahren nach § 163 AO nicht entgegen (Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO Rz. 21 m. w. N.); die bestandskräftige Steuerfestsetzung kann im Falle einer späteren Billigkeitsentscheidung nach § 175 Abs. 1 Satz Nr. 1 AO geändert werden (s. Rz. 24). Ist jedoch eine Billigkeitsmaßnahme in einem der beiden Verfahren bestandskräftig abgelehnt worden, kann sie aus denselben Billigkeitsgründen im anderen Verfahren nicht begehrt werden (FG Ha v. 31.10.1994, III 193/90, EFG 1995, 408; von Groll in HHSp, § 163 AO Rz. 23; Rüsken in Klein, § 163 AO Rz. 1b; a. A. Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 163 AO Rz. 2).