Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Vollstreckungsschuldner ist verpflichtet, auf Verlangen der Vollstreckungsbehörde für die Vollstreckung einer Forderung Auskunft über sein Vermögen zu erteilen, wenn er die Forderung nicht binnen zwei Wochen begleicht, nachdem ihn die Vollstreckungsbehörde unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft zur Zahlung aufgefordert hat. Neben den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (s. § 251 AO ff., s. § 254 AO, s. § 259 AO) bedarf es demnach lediglich noch einer ausdrücklichen Aufforderung, verbunden mit einer Zahlungsaufforderung. Häufig wird diese Zahlungsaufforderung bereits verbunden mit der Ladung (s. Rz. 19).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Entscheidung über die Einholung der Vermögensauskunft steht im Ermessen des FA; dies betrifft auch die Entscheidung, wer von mehreren "Verpflichteten" geladen wird (s. Rz. 20). Angesichts des Zwecks der Vorschrift (s. Rz. 2) und der Tatsache, dass mit der Auskunft und ihrer Beeidigung eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis automatisch nicht (mehr) einhergeht, dürfte auch die frühzeitige Aufforderung zur Auskunftserteilung indes kaum ermessenswidrig sein. Der Aufforderung könnte entgegenstehen, dass dem FA die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bereits zuverlässig bekannt sind bzw. sicher feststeht, dass die Auskunft keine weiteren Vollstreckungsmöglichkeiten ergeben wird. Das FA wird im Übrigen häufig im eigenen Interesse bemüht sein, zunächst andere Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Eigene Ermittlungen versprechen u. U. einen schnelleren Erfolg, führen aber jedenfalls dazu, dass die gewonnen Erkenntnisse anderen – außersteuerlichen – Gläubigern nicht zugänglich gemacht werden müssen.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei der Ermessensausübung hat das FA darüber hinaus das bisherige steuerliche Verhalten des Schuldners zu berücksichtigen. Bei einem Schuldner, der seine steuerlichen Pflichten stets pünktlich und ordnungsgemäß erfüllt und nunmehr möglicherweise unverschuldet erstmals säumig wird, z. B. aufgrund einer Erkrankung oder einer unvorhersehbaren längeren Abwesenheit, könnte das Ermessen ebenfalls beschränkt sein. Andererseits hat der Schuldner die Gelegenheit, zur Abwehr der Auskunft nach § 284 AO den Rückstand innerhalb der Zweiwochenfrist zu begleichen oder andere Billigkeitsmaßnahmen zu beantragen (Stundung, Vollstreckungsaufschub). Demnach bleibt die Aufforderung wohl auch in solchen Konstellationen zunächst zulässig.
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In die Ermessenserwägungen sollte zudem die Höhe der Steuerrückstände eingehen. Entsprechend der Rspr. des BFH zur alten Rechtslage sollte das FA in eine Prüfung eintreten müssen, ob von der Abnahme der Vermögensauskunft abgesehen werden kann, wenn (1.) die rückständigen Steuerschulden (ohne die steuerlichen Nebenleistungen) in ihrer Höhe gering sind bzw. gering geworden sind – der BFH denkt an eine Grenze von etwa 10 000 EUR, wenn die Rückstände bestandskräftig festgesetzt sind; sonst ggf. noch höher –, (2.) der Schuldner in der Vergangenheit bereits Tilgungsleistungen erbracht hat, sodass sich die Schuld bereits verringert hat, und (3.) zu erwarten ist, dass sich die Rückstände durch regelmäßige Tilgungsleistungen – ggf. nach vorgelegtem, von dem Kreditinstitut des Schuldners gebilligten Tilgungsplan – auch weiterhin vermindern werden (BFH v. 12.12.2001, VII B 318/00, BFH/NV 2002, 617; BFH v. 14.05.2002, VII B 52/01, BFH/NV 2002, 1413; BFH v. 03.02.2003, VII B 13/02, BFH/NV 2003, 797; s. Loose in Tipke/Kruse, § 284 AO Rz. 6 und Zeller-Müller in Gosch, § 284 AO Rz. 8, die eine Bagatellgrenze von etwa 1000 EUR befürworten; Müller-Eiselt in HHSp., § 284 AO Rz. 26 für eine Bagatellgrenze von 600 EUR).
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Freilich steht es dem FA trotz Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 frei, andere Vollstreckungsmöglichkeiten zu ergreifen, etwa Sach- oder Forderungspfändungen. Möglich auch – nach Neufassung des § 284 AO praktisch indes wohl selten relevant – die Offenlegung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 AO und die Versicherung an Eides Statt nach § 95 Abs. 1 Satz 1 AO.
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Mit der Hinterlegung des Vermögensverzeichnisses bei dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 802k Abs. 1 ZPO und unabhängig von der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (s. Rz. 30) wird eine Schutzfrist von 2 Jahren ausgelöst. § 284 Abs. 4 AO bestimmt, dass der Schuldner nur dann zur erneuten Auskunft verpflichtet ist, wenn anzunehmen ist, dass sich seine Vermögensverhältnisse wesentlich geändert haben, er etwa später Vermögen erworben hat oder ein bisher mit ihm bestehendes Arbeitsverhältnis aufgelöst worden ist (BFH v. 26.07.2005, VII R 57/04, BStBl II 2005, 814). Ein Verstoß gegen die Schutzfrist führt jedoch nicht zur Nichtigkeit des Verlangens (BFH v. 21.06.2010, VII R 27/08, BStBl II 2011, 331).