Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis muss nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden sein. Die Gesetzesfassung berücksichtigt, dass im Regelfall bei einer unterbliebenen Festsetzung keine Fälligkeit eintritt (s. § 220 Abs. 2 AO) und deshalb die Entrichtung insoweit zu Recht unterbleibt. In diesem Fall ist der Pflichtverstoß im Festsetzungsverfahren zu suchen. Hätte der Betroffene hier ordnungsgemäß mitgewirkt, wäre die Steuer festgesetzt worden. Dann wäre die Fälligkeit mit der Folge der Zahlungspflicht eingetreten. Die unterbliebene Festsetzung gegen den Steuerpflichtigen braucht nicht als Voraussetzung für das Entstehen des Haftungsanspruchs nachgeholt zu werden (Arg.: § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO). Über das Bestehen des Anspruchs gegen den Pflichtigen kann auch im Verfahren gegen den Haftenden entschieden werden (Beispiel für eine gerechtfertigte Unterlassung der Festsetzung gegen den Steuerpflichtigen: es handelt sich um eine Gesellschaft, die vermögenslos und zivilrechtlich vollbeendet ist). Nicht rechtzeitig festgesetzt ist der Anspruch z. B., wenn in den Fällen, in denen eine Steueranmeldung vorgesehen ist, diese nicht innerhalb der gesetzlichen Frist abgegeben wurde. Nicht erfüllt wird der Anspruch, wenn die geschuldete Leistung nicht bewirkt wird. Der Anspruch ist nicht rechtzeitig erfüllt, wenn bei Fälligkeit nicht bezahlt wird bzw. die anzumeldenden Steuern bzw. Vorauszahlungen nicht in dem Zeitpunkt entrichtet werden, in dem sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Pflichten zu entrichten gewesen wären.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Beeinträchtigung der Ansprüche des Fiskus muss sich nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht als Steuerverkürzung i. S. der §§ 370 oder 378 AO darstellen (s. § 71 AO). Entsprechend § 37 AO fällt darunter auch die nicht oder nicht rechtzeitige Festsetzung oder Befriedigung von Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht gewährter Steuervergütungen und Rückzahlung zu Unrecht erstatteter Beträge (BFH v. 21.05.1985, VII R 191/82, BStBl II 1985, 488 für den Fall zu Unrecht ausgezahlter Vorsteuerüberschüsse).