Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das FA kann vom Stpfl. verlangen, Gläubiger von Schulden und anderen Lasten oder Empfänger von Betriebsausgaben, Werbungskosten und anderen Ausgaben genau zu benennen. Das Benennungsverlangen setzt voraus, dass der Stpfl. Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben steuermindernd geltend macht, d. h. Schulden oder andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten oder andere Ausgaben vorliegen, die steuerlich abziehbar sind, da es anderenfalls nicht zum Abzug kommen kann und ein Empfänger nicht vorhanden ist. Ggf. ist zunächst festzustellen, ob steuermindernde Aufwendungen vorliegen, bevor § 160 AO angewendet wird (BFH v. 24.06.1997, VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51; BFH v. 14.06.2005, VIII R 37/03, BFH/NV 2005, 2161 m. w. N.). Es fallen alle Arten von steuerrechtlich relevanten Belastungen oder Aufwendungen ohne Rücksicht auf die Steuerart unter § 160 Abs. 1 Satz 1 AO. Unerheblich ist, ob Ausgaben wie z. B. Betriebsausgaben sofort abgesetzt werden können oder z. B. als Anschaffungskosten aktiviert und pro rata temporis abgeschrieben oder deren Buchwert gewinnmindernd ausgebucht werden. Der durch die Ausgabe von Geld bewirkte steuermindernde Aufwand und die (möglicherweise) steuererhöhenden Einnahmen müssen nicht den gleichen Veranlagungszeitraum betreffen (ausführlich BFH v. 11.07.2013, IV R 27/09, BStBl II 2013, 989, Rz. 34 ff.). Auch wenn die Höhe der Ausgaben geschätzt wurde (s. Rz. 2), ist für die weitere Feststellung des oder der Empfänger § 160 AO anwendbar (BFH v. 24.06.1997, VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51 m. w. N.). Das Benennungsverlangen kann auch im Außenprüfungsverfahren gestellt werden.
Tz. 6a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ausgaben oder Belastungen, die sich nicht steuermindernd auswirken wie durchlaufende Posten (§ 4 Abs. 3 Satz 2 EStG) oder aufgrund anderer Vorschriften nicht abzugsfähige Lasten oder Aufwendungen wie z. B. solche nach § 4 Abs. 5 EStG (für Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG s. Rz. 8) oder im Rahmen von Scheingeschäften (§ 41 Abs. 2 AO), rechtfertigen ein solches Verlangen ebenso wenig (BFH v. 24.06.1997, VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51 m. w. N.) wie solche Aufwendungen, von denen die Finanzbehörde zwar erfährt, die der Stpfl. aber nicht geltend macht, oder bei denen die betriebliche Veranlassung verneint wird (BFH v. 27.11.2000, IV B 23/00, BFH/NV 2001, 424). Keine Anwendung findet § 160 AO ferner bei Bauleistungen, wenn der Leistungsempfänger den Steuerabzugsbetrag angemeldet und abgeführt hat (§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG) oder eine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat; liegen tatsächlich nicht Bauleistungen, sondern Arbeitnehmerüberlassung vor, hat aber der Leistungsempfänger den Steuerbetrag angemeldet und abgeführt hat, gilt dies ebenfalls.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gläubiger ist der wirtschaftliche Eigentümer einer Forderung (BFH v. 21.07.2009, IX B 55/09, BFH/NV 2010, 3 m. w. N.). Empfänger der Ausgaben usw. ist derjenige, dem der in den Lasten oder Ausgaben enthaltene wirtschaftliche Wert vom Stpfl. übertragen worden ist und bei dem er sich demzufolge steuerlich auswirkt, also die Person, die bei wirtschaftlicher Betrachtung die vom Stpfl. durch seine Zahlung entgoltene Leistung erbracht hat (BFH v. 17.11.2010, I B 143/10, BFH/NV 2011, 198 m. w. N.). Nimmt die Person, die unmittelbar als Empfänger auftritt, den Wert erkennbar für einen anderen entgegen – sei es, dass sie als Bote oder als Vertretungsberechtigter oder aber im eigenen Namen aber für Rechnung des anderen handelt –, so ist dieser andere "Empfänger" i. S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO (BFH v. 11.07.2013, IV R 27/09, BStBl II 2013, 989 m. w. N.). Dies trifft insbes. zu bei der Einschaltung von Mittelsmännern sowie bei Domizil- oder Basisgesellschaften (AEAO zu § 160, Nr. 3 Satz 2; BFH v. 20.04.2005, X R 40/04, BFH/NV 2005, 1739 m. w. N.). Gleiches gilt, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zahlungsempfänger eine Domizilgesellschaft ist (BVerfG v. 10.03.2008, 1 BvR 2388/03, BFH/NV Beilage 2008, 220) oder die Anteile an einer ausländischen Basisgesellschaft treuhänderisch für Dritte gehalten werden (BFH v. 01.04.2003, I R 28/02, BStBl II 2007, 855 m. w. N.) oder zwischengeschaltet ist (BFH v. 24.04.2009, IV B 104/07, BFH/NV 2009, 1398). Da eine Domizilgesellschaft selbst niemals wirtschaftlicher Empfänger der Zahlungen sein kann, reicht es nicht aus, dass die in das Leistungsverhältnis zwischengeschaltete Domizilgesellschaft benannt wird (BFH v. 11.07.2013, IV R 27/09, BStBl II 2013, 989 m. w. N.). Bei Domizilgesellschaften hat das FA im Übrigen vorab wegen ihrer häufig anzutreffenden Funktion als reine "Durchleitungsgesellschaften" ohne eigene Geschäftstätigkeit zu prüfen, ob die Gesellschaft oder deren Anteilseigner in der Lage waren, die geschuldete Leistung zu erbringen, und ob der Stpfl. überhaupt eine Leistung von objektiv feststellbarem Wert erhalten hat oder ob ein Scheingeschäft vorliegt (BFH v. 10.1...