Voraussetzungen und Nutzung für mehrere Tätigkeiten & Personen
Ausgangspunkt für die Frage, wann ein Arbeitszimmer vorliegt ist hierbei die Definition des BFH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2002 (BFH Urteil vom 19.09.2002 - VI R 70/01, BStBl. II 2003, S. 139; siehe auch BMF v. 15.8.2023, a.a.O. Rz. 3), die seitdem immer wieder zitiert wird.
Häusliches Arbeitszimmer: Merkmale und private Nutzung
Ein häusliches Arbeitszimmer ist hiernach ein Raum,
- der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist,
- vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder –organisatorischer Arbeiten dient und
- ausschließlich zu betrieblichen und/oder beruflichen Zwecken genutzt wird.
Hierbei hat der BFH auch ausgeführt, dass eine untergeordnete private Nutzung, die unter 10 % liegt, unschädlich ist (BFH Urteil vom 27.07.2015 - GrS 1/14, BStBl. II 2016, S. 265; BFH Urteil vom 22.03.2016 - VIII R 24/12, BStBl. II 2016, S. 884), damit von einer vorwiegend betrieblichen oder beruflichen Nutzung des Raumes gesprochen werden kann. Letztlich ist deshalb darauf zu achten, dass die private Nutzung von untergeordneter Bedeutung ist, um den Status als Arbeitszimmer nicht zu gefährden (BFH Urteil vom 08.03.2017 - IX R 52/14, BFH/NV 2017, S. 1017). Das BMF stellt in seinem Schreiben v. 15.8.2023 in den Rz. 3 ff. die Rechtsprechung des BFH zu dieser Frage recht ausführlich und unter Verwendung von Beispielsfällen dar.
Häusliches Arbeitszimmer: Definition und Abgrenzungsfragen
Es liegt auf der Hand, dass bei der vom BFH gefundenen Definition des häuslichen Arbeitszimmers neue Abgrenzungsfragen auftreten.
Unstrittig dürfte hierbei noch sein, dass es unerheblich ist, ob der Raum im Dachgeschoss oder Keller liegt (BFH Urteil vom 11.11.2014 - VIII R 3/12, BStBl. II 2015, S. 382). Achtung: in einem solchen Fall gilt allerdings, dass es bei der Berechnung der Fläche des Arbeitszimmers im Verhältnis zur gesamten Wohnfläche einige Besonderheiten zu beachten gilt, die entsprechenden Bestimmungen finden sich in der Zweiten BerechnungsVO oder der WohnflächenVO (BMF, Schreiben v. 6.10.2017, IV C 6 - S 2145/07/10002 :019 a.a.O. Rz. 6a).
Kritisch wird es aber immer dann, wenn das Arbeitszimmer eng mit dem privat genutzten Teil einer Wohnung verbunden ist. So hat der BFH entschieden, dass eine Arbeitsecke nicht als Arbeitszimmer anerkannt werden kann (BFH Urteil vom 17.02.2016 - X R 32/11, BStBl. II 2016, S. 708). Gleichfalls zu beachten gilt es, dass Kosten für solche Räume, die in die häusliche Sphäre eingebunden sind und zu einem nicht unerheblichen Anteil privat genutzt werden, nicht anteilig zu den Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers zählen (BFH Urteil vom 17.02.2016 - X R 26/13, BStBl. II 2016, S. 611). Entschieden hat der BFH allerdings, dass ein Raum, in dem ein Telearbeitsplatz eingerichtet ist und der grundsätzlichen den Anforderungen an ein häusliches Arbeitszimmer gerecht wird, regelmäßig als ein solches anzuerkennen ist (BFH Urteil vom 26.02.2014 - VI R 40/12, BStBl. II 2014, S. 568). Angesichts der Zunahme von Heimarbeitsplätzen ist dies zu begrüßen. Zu prüfen bleibt in diesen Fällen allerdings stets, ob ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Mit Urteil vom 22.3.2016 (Aktenzeichen VIII R 10/12, BStBl. II 2016, S. 881) hat der BFH allerdings auch entschieden, dass im Fall eines Arbeitsbereiches, der allein durch ein Sideboard vom Wohnbereich abgeteilt ist, auch dann kein häusliches Arbeitszimmer gegeben ist, wenn dieser Bereich büromäßig eingerichtet ist.
Mehrere Arbeitszimmer an verschiedenen Wohnorten
Mit Entscheidung vom 9.5.2017 (VIII R 15/15, BStBl. II 2017, S. 956) urteilte der BFH, dass der Höchstbetrag für die Geltendmachung eines häuslichen Arbeitszimmers von einem Steuerpflichtigen nur einmal in Abzug gebracht werden kann. Dies gilt auch dann, wenn er im betreffenden Jahr mehrere Arbeitszimmer an verschiedenen Wohnorten unterhalten hat. Die Entscheidung ist für betroffene Steuerpflichtige als misslich anzusehen, sie ist aber wohl aufgrund der Gesetzesformulierung zutreffend. Nicht entschieden ist damit allerdings der Fall, in dem die Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Betätigung darstellen. Grundsätzlich erscheint in diesen Fällen die Möglichkeit einer Absetzbarkeit von mehreren Arbeitszimmern durchaus möglich, doch dürfte dann die Frage durch das Finanzamt aufgeworfen werden, ob ein Steuerpflichtiger mehrere Mittelpunkte seiner Tätigkeit haben kann.
Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit: Anteilige Aufwendungen oder personenbezogene Jahrespauschale
Wichtig für die steuerliche Behandlung ist, ob das Arbeitszimmer Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit ist (hierzu BMF-Schreiben v. 15.8.2023, Rz. 12ff.). Ist dies der Fall, können wahlweise die tatsächlichen nachgewiesenen anteiligen Aufwendungen geltend gemacht werden oder die personenbezogene Jahrespauschale von 1.260 EUR. Welche Aufwendungen hierbei geltend gemacht werden können bzw. abgegolten sind, stellt das BMF in seinem Schreiben v. 15.8.2023 in den Rz. 7ff. dar. Hinzuweisen ist darauf, dass für diese Aufwendungen die besonderen Aufzeichnungspflichten nach § 4 Abs. 7 EStG zu beachten sind, wenn nicht die Jahrespauschale geltend gemacht wird (BMF-Schreiben v. 15.8.2023, Rz. 25f.). Der Pauschalsatz von 1.260 EUR, der dann sämtliche Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer abdeckt, gilt für Steuerpflichtige, bei denen das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit darstellt, abschließend. Es können also keine Aufwendungen über diesen Betrag hinaus geltend gemacht werden. Liegen die Voraussetzungen nicht das ganze Jahr vor, können anteilig 105 EUR pro Monat geltend gemacht werden (auch BMF-Schreiben v. 15.8.2023, Rz. 21f.). Hinzuweisen ist darauf, dass in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige keine Arbeitszimmer im steuerlichen Sinne hat, unter Umständen die Geltendmachung einer Tagespauschale von 6 EUR pro Tag für maximal 210 Tage im Jahr in Betracht kommt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c EStG).
Arbeitszimmer wird im Rahmen mehrerer Einkunftsarten genutzt
Bis zu einer Entscheidung des BFH war umstritten, wie steuerlich zu verfahren ist, wenn in dem Arbeitszimmer verschiedene Tätigkeiten ausgeübt werden. In einem solchen Fall sind die Aufwendungen für das Arbeitszimmer entsprechend dem Nutzungsumfang den darin ausgeübten Tätigkeiten zuzuordnen. Soweit der Kostenabzug für eine oder mehrere Tätigkeiten möglich ist, kann der Steuerpflichtige diese anteilig insgesamt bis zum Höchstbetrag abziehen (BFH Urteil vom 25.04.2017 - VIII R 52/13, BStBl 2017 II S. 949). Eine Vervielfachung des Höchstbetrages entsprechend der Anzahl der darin ausgeübten Tätigkeiten ist jedoch ausgeschlossen (so auch BMF-Schreiben v. 15.8.2023, Rz. 17f.).
Die Entscheidung des BFH betrifft einen höchst praktischen Fall. Ein angestellter Steuerpflichtiger erzielt auch Einkünfte aus einer anderen Tätigkeit. Für beide Tätigkeiten nutzt er ein häusliches Arbeitszimmer. Da er für seine Tätigkeit als Angestellter einen anderen Arbeitsplatz zur Verfügung hat, kann er die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers insofern nicht geltend machen. Aber welche Folgen hat dies für den Teil der Kosten, der auf die Nutzung zu anderen Zwecken entfällt? Das Finanzamt nahm im Wege der Schätzung an, dass 50% der Nutzung auf die Tätigkeit als Angestellter entfielen und kürzte dementsprechend den gesetzlichen Höchstbetrag um 50%.
Dem trat der BFH aber entgegen. Zwar müsse erforderlichenfalls eine Aufteilung der zeitlichen Nutzungsanteile bei mehreren Tätigkeiten erfolgen, diese Nutzungen führen aber nicht per se dazu, dass der gesetzliche Höchstbetrag aufzuteilen wäre. Vielmehr kann der gesetzliche Höchstbetrag von 1.250 EUR (jetzt 1.260 EUR) dann in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn die Kosten, die auf den unschädlichen Nutzungsanteil entfallen, diesen Höchstbetrag erreichen. Steuerpflichtige, bei denen diese Konstellation zutrifft, sollten aber als Konsequenz der Entscheidung prüfen, ob sie gegebenenfalls in der Lage sind, die zeitliche Aufteilung der Nutzungen nachzuweisen.
Nutzung des Arbeitszimmers durch mehrere Steuerpflichtige
Sehr interessant kann im Einzelfall die Rechtsprechung des BFH zur Nutzung eines Arbeitszimmers durch mehrere Personen sein. Bei jedem Nutzenden ist gesondert zu prüfen, ob und in welchem Umfang ein Abzug in Betracht kommt. Dies kann dazu führen, dass jeder die seinem Anteil entsprechenden und von ihm getragenen Aufwendungen (z.B. Absetzung für Abnutzung, Schuldzinsen) geltend machen kann (BFH Urteil vom 15.12.2016 - VI R 86/13, BStBl. II 2017, S. 941). Diese Entscheidung steht im Zusammenhang mit der ebenfalls am 15.12.2016 ergangenen Entscheidung zu dem Aktenzeichen VI R 53/12 (BStBl. II 2017, S. 938). In beiden Urteilen wird betont, dass ein gemeinsam genutztes Arbeitszimmer von mehreren Steuerpflichtigen steuermindernd geltend gemacht werden kann, allerdings muss jeder in seiner Person die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllen. Diese Möglichkeit einer mehrfachen Geltendmachung stellt eine erfreuliche Änderung der Rechtsprechung des BFH dar. Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung übernommen (BMF-Schreiben v. 15.8.2023, Rz. 19).
In der Entscheidung zum Aktenzeichen VI 86/13 streicht der BFH zudem heraus, dass diese Möglichkeit nicht nur bei Eheleuten und Eigentümern gilt, sondern auch bei gemeinsam lebenden Lebensgefährten sowie Mietern. Insofern ergänzen sich die Entscheidungen. Allerdings sind in allen Fällen die Erfordernisse für die Anerkennung als Arbeitszimmer zu beachten. So muss das genutzte Zimmer insbesondere der einzige zur Verfügung stehende Arbeitsplatz sein und ausschließlich oder nahezu ausschließlich einer betrieblichen oder beruflichen Nutzung unterliegen. Den Nachweis hierfür hat der Steuerpflichtige zu führen, so dass es an ihm liegt, die entsprechenden Unterlagen, aus denen sich die Aufwendungen ergeben, beizubringen.
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