Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Zurechnung eines Wirtschaftsgutes im steuerlichen Bereich zielt auf die Feststellung ab, bei welcher Person oder Personenvereinigung das Wirtschaftsgut zu erfassen ist mit der Folge, dass es für diese als Besteuerungsgrundlage einen Steuertatbestand auslöst (s. § 38 AO).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Entscheidendes Kriterium der Zurechnung von Wirtschaftsgütern soll nach § 39 Abs. 1 AO die rechtliche Gestaltung sein, mit der sich der tatsächliche Herrschaftszustand jedoch nicht zu decken braucht. Denn nichts anderes als die Maßgeblichkeit der "Ordnungsfunktion des Zivilrechtes" ist gemeint, wenn bündig festgestellt wird, dass "Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen" sind. Das zielt auf die Rechtsstellung, wie sie das zivile Eigentum als Berechtigung zur vollen Herrschaft über eine Sache versteht. Nicht gesagt, aber wohl gleichermaßen mit gemeint, ist für immaterielle Wirtschaftsgüter die "Inhaberschaft" als die dem Sacheigentum entsprechende Rechtsstellung. Von der rechtlichen Gestaltung soll ausgegangen werden, nur wenn diese nicht passen will, soll es auf den wirtschaftlichen Gehalt ankommen, wie ihn die Fallgruppen des § 39 Abs. 2 AO ausweisen.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
So kommt es bei Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen nicht nur auf die zivilrechtlich wirksam getroffene Vereinbarung (BFH v. 31.10.1989, IX R 216/84, BStBl II 1992, 506: Mitwirkung eines Ergänzungspflegers bei Beteiligung Minderjähriger), sondern auch darauf an, ob das Vereinbarte in seiner Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (BFH v. 13.12.1995, X R 261/93, BStBl II 1996, 180; s. Rz. 16).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In der steuerrechtlichen Praxis kann über die Zurechnung von Wirtschaftsgütern nur anhand des konkreten Falles befunden werden, nämlich bei Anwendung des maßgebenden Steuergesetzes auf den vorliegenden Sachverhalt. Es gibt viele Steuerrechtsbereiche, für deren Tatbestände nicht die rechtsförmliche Gestaltung, sondern der wirtschaftliche Gehalt der Sachverhalte maßgebend ist, ebenso wie für andere Steuerrechtsbereiche grundsätzlich die rechtliche Einkleidung entscheidet. Freilich kommt es auch vor, dass sich in einem Steuergesetz (Beispiel: Umsatzsteuer, s. Rz. 7) die rechtliche und die wirtschaftliche Betrachtungsweise begegnen, und zwar je nach dem speziellen Zweck der einzelnen Gesetzesnorm.