Tz. 21
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 361 AO setzt keinen Antrag voraus. Die Finanzbehörde entscheidet von Amts wegen darüber, ob Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist. Dies hat insbes. immer dann zu geschehen, wenn der Einspruch offensichtlich begründet ist oder aber die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm durch das BVerfG zu erwarten ist (AEAO zu § 361, Nr. 2.1.; Seer in Tipke/Kruse, § 361 AO Rz. 3, § 69 FGO Rz. 54). Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist von Amts wegen auch die Vollziehung des Folgebescheides auszusetzen (§ 361 Abs. 3 Satz 1 AO).
Tz. 22
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In der Praxis ist die AdV auf Antrag die Regel. Das Ermessen der Finanzbehörde ist dann bei Vorliegen der Aussetzungsgründe (Rz. 29) eingeschränkt. Im Regelfall "soll" Aussetzung gewährt werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung zu einer unbilligen Härte führt. Der Aussetzungsantrag kann zusammen mit dem Einspruch gestellt werden; kann aber noch bis zum Ende des finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 69 Abs. 2 FGO). Wegen der anfallenden Aussetzungszinsen (§ 237 AO) ist gerade bei zweifelhaften Erfolgsaussichten jedoch zunächst zu prüfen, ob ein Aussetzungsantrag wirtschaftlich sinnvoll ist. Der Finanzverwaltung ist es diesbezüglich verwehrt, dem Steuerpflichtigen eine AdV mit dem Ziel aufzudrängen, dem Staat den Zinsvorteil aus § 237 AO zu verschaffen (FG Köln v. 08.09.2010, 13 K 960/08, EFG 2011, 105).
Tz. 23
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Selbst bei guten Erfolgsaussichten sollte aber die Einleitung jedenfalls eines gerichtlichen AdV-Verfahrens wegen des dort möglichen Kostenerstattungsanspruches überdacht werden. In AdV-Verfahren setzen die Finanzgerichte den Gegenstandswert noch immer regelmäßig lediglich mit 10 % des Gegenstandswertes des Klageverfahrens an und basieren darauf dann die vom Finanzamt dem Steuerpflichtigen zu erstattenden Kosten bei Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes oder Steuerberaters. Oft kommt es aber bei einem Erfolg im gerichtlichen AdV-Verfahren nicht mehr zu einem Klageverfahren, da das Finanzamt vielfach den angefochtenen Bescheid entsprechend den Vorgaben des AdV-Beschlusses des Finanzgerichtes ändert. Obgleich es sich beim AdV-Verfahren lediglich um ein "summarisches", also vereinfachtes Verfahren handeln soll, ist in den meisten Fällen insbes. der anwaltliche, aber auch der gerichtliche Aufwand einem Klageverfahren vergleichbar und steht diese deutlich geringere Kostenerstattungsverpflichtung deshalb nicht in einem angemessenen Verhältnis. Auch für ein AdV-Verfahren sollte deshalb der volle Gegenstandswert des Klageverfahrens in Ansatz gebracht werden, durchaus unter Anrechnung auf die Kosten eines späteren Klageverfahrens, so ein solches dann überhaupt noch durchgeführt wird. In nicht wenigen Fällen unsicherer Rechtslage scheinen die Finanzbehörden bei der gegenwärtigen Praxis der Festsetzung des Gegenstandswertes ein kostengünstiges AdV-Verfahren durch Nichtgewährung beantragter AdV zu "provozieren", um im Ergebnis der richterlichen AdV-Entscheidung dann erst die bis dahin zurückgestellte Einspruchsentscheidung zu treffen.
Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Antragsbefugt sind alle Beteiligten des Einspruchsverfahrens. Hinsichtlich der AdV von Feststellungsbescheiden gilt, dass nur derjenige antragsbefugt ist, der den Feststellungsbescheid selbst angefochten hat oder zum Verfahren eines anderen Beteiligten hinzugezogen oder beigeladen worden ist (§ 352 AO; BFH v. 15.03.1994, IX B 151/93; BStBl II 1994, 519).
Tz. 25
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auch die Antragsbefugnis im AdV-Verfahren verlangt wie das Verfahren in der Hauptsache ein Rechtsschutzbedürfnis. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn nach Vorbringen des Antragstellers die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ernstlich zweifelhaft ist (im Einzelnen: Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 61 ff.). Der Fortfall der Antragsbefugnis wurde insbes. in folgenden Fällen angenommen:
- AdV unter einem Widerrufsvorbehalt, solange die Finanzbehörde von diesem noch keinen Gebrauch gemacht hat (BFH v. 12.05.2000, VI B 266/98, BStBl II 2000, 536),
- AdV hinsichtlich einer Insolvenzforderung, sodass im Hinblick auf das Insolvenzverfahren keine Vollstreckung erfolgen kann (BFH v. 27.11.1974, I R 185/73, BStBl II 1975, 208),
- Eintritt der aufschiebenden Wirkung kraft Gesetzes (z. B. Einspruch gegen die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung; BFH v. 11.12.1984, VII B 41/84, BStBl II 1985, 197),
- Fehlende Antragsbegründung nach Ablauf einer angemessenen Frist (FG Ddorf v. 12.02.1990, 16 V 204/89 A, EFG 1990, 482; FG Köln v. 22.10.1998, 15 K 6377/98, EFG 1999, 127),
- Erledigung des Hauptsachestreits (kein Fortsetzungsfeststellungsverfahren analog § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) (BFH v. 29.04.1992, VI B 152/91, BStBl II 1992, 752),
- Hauptsacheverfahren ist ohne steuerliche Auswirku...