Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 40 Abs. 3 FGO betrifft die Fälle, in denen Abgaben ganz oder zum Teil für Rechnung einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft erhoben werden als derjenigen, der die verwaltende Behörde angehört, was im Falle der FA für das jeweilige Land und im Falle der HZA für den Bund zutrifft. In Betracht kommen die ESt und KSt sowie die USt, soweit ihr Aufkommen dem Bunde gebührt, und die Lastenausgleichsabgaben, die dem Bunde zufließen, die Verwaltungsgeschäfte im Bereiche der Realsteuern zugunsten der Gemeinden, die für die Religionsgemeinschaften verwalteten KiSt, die für berufsständische Vertretungen verwalteten Beiträge und – im Falle der HZA – die den Ländern zufließende BierSt. Die Vorschrift stellt eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot von In-Sich-Prozessen der öffentlichen Gewalt dar (z. B. Kopp/Schenke, § 40 VwGO Rz. 172 und § 63 VwGO Rz. 7) und verdrängt als spezielle Regelung § 40 Abs. 2 FGO (Seer in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 98). Wenn die Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 FGO vorliegen, ist eine Feststellungsklage der betreffenden Körperschaft (§ 41 FGO) wegen ihrer Subsidiarität unzulässig (FG Bln v. 21.02.2000, 6 B 6488/99, EFG 2000, 634).
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach der Rspr. des BFH wurden durch die in den vorbezeichneten Fällen ergehenden Abgabenbescheide grds. nicht die Rechte, sondern nur die Interessen der öffentlich-rechtlichen Körperschaft berührt, für deren Rechnung die Abgabe verwaltet wird (Gesetzesbegründung, BT-Drs. IV/1446, 46 unter Hinweis auf BFH v. 10.10.1961, III 279/58 S, BStBl III 1962, 145). Daher steht der ertragsberechtigten Körperschaft ein Klagerecht gegen die ergehenden Abgabebescheide nicht schon aufgrund von § 40 Abs. 2 FGO zu. Meinungsverschiedenheiten sind grds. intern zu bereinigen (Gesetzesbegründung, IV/1446, 46 unter Hinweis auf Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG a. F., jetzt Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG). In offenbaren Fällen des Interessenkonflikts soll § 40 Abs. 3 FGO jedoch den ertragsberechtigten Körperschaften eine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnen. Nach Auffassung des BFH. ist § 40 Abs. 3 FGO verfassungsgemäß und verstößt insbes. nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG (BFH v. 30.01.1976, III R 60/74 BStBl II 1976, 426). § 40 Abs. 3 FGO gilt für alle in § 40 Abs. 1 FGO genannten Klagearten und ist auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach §§ 69 Abs. 3, 114 FGO zu beachten (zum Ganzen auch von Beckerath in Gosch, § 40 FGO Rz. 241 ff.; Seer in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 99).
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 40 Abs. 3 FGO gilt insbes. für die Klagen von Gemeinden gegen festgesetzten oder festzusetzenden GewSt-Messbeträge und begründet ausnahmsweise eine Klagebefugnis. Gemeinden haben als Träger von Hoheitsrechten keine allgemeine Klagebefugnis gegen Bescheide der FÄ, also auch nicht gegen GrSt- und GewSt-Messbescheide (st. Rspr., z. B. BFH v. 30.01.1976, III R 60/74, BStBl II 1976, 426; BFH v. 21.06.2017, IV B 8/16, BFH/NV 2017, 1323). Die Klagebefugnis nach § 40 Abs. 3 FGO besteht, wenn das betreffende FA als Landesfinanzbehörde die GewSt ganz oder teilweise für die Gemeinde verwaltet und das Land die GewSt ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar schulden würde. Mittelbar i. S. des § 40 Abs. 3 FGO schuldet ein Land eine Abgabe, wenn es öffentlich-rechtlich verpflichtet ist, die Abgabenschuld eines Dritten zu erfüllen. Der Begriff "schulden" wird in § 40 Abs. 3 FGO als Rechtsbegriff in Bezug auf einen Abgabenanspruch verwendet. Ein Schulden im Rechtssinne setzt voraus, dass eine rechtliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten besteht. Eine faktische Verpflichtung aus wirtschaftlichen, politischen oder moralischen Gründen reicht nicht aus. Insbes. genügt es nicht, dass das betreffende Land als Gesellschafter an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist, welche die GewSt schuldet (BFH v. 17.10.2001, I B 6/01, BStBl II 2002, 91; BFH v. 21.06.2017, IV B 8/16, BFH/NV 2017, 1323). Einer Gemeinde steht das Klagerecht gegen die Herabsetzung des GewSt-Messbetrags durch das FA dann nicht zu, wenn der Anspruch des Stpfl. auf Erstattung der GewSt vom FA gepfändet worden ist (FG Mchn v. 20.09.1999, 7 K 2012/97, EFG 2000, 28). Die Klagebefugnis der Gemeinden als Beteiligte im Zerlegungs- und Zuteilungsverfahren (§§ 186 Nr. 2, 190 AO) folgt unmittelbar aus § 40 Abs. 2 FGO (BFH v. 20.04.1999, VIII R 13/97, BStBl II 1999, 542; Levedag in Gräber, § 40 FGO Rz. 140).