Tz. 45
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Aufhebung oder Änderung der unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fallenden Bescheide (s. Rz. 1) ist nicht in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt, sondern zwingend. Die Finanzbehörde ist von Amts wegen zu Korrektur verpflichtet; der Stpfl. hat einen Rechtsanspruch auf die in § 173 Abs. 1 AO angeordnete Aufhebung oder Änderung. Die Aufhebung oder Änderung ist nur innerhalb der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) möglich.
Tz. 46
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Aufhebung oder Änderung ist zulässig und geboten, soweit die sie rechtfertigenden Tatsachen oder Beweismittel bzw. deren unmittelbaren steuerlichen Auswirkungen reichen. Änderungen der in den bisherigen Bescheiden enthaltenen Regelungen sind darüber hinaus nur in dem durch § 177 AO abgesteckten Rahmen und ausschließlich hinsichtlich der bisherigen rechtlichen Subsumtion des unverändert gebliebenen steuerlich relevanten Sachverhalts möglich und erforderlich. Werden nachträglich neben steuererhöhenden Tatsachen auch steuermindernde Tatsachen bekannt, die wegen groben Verschuldens des Stpfl. nicht für sich eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO rechtfertigen, so sind bei der Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die steuermindernden Tatsachen im Wege der Saldierung nach § 177 AO zu berücksichtigen (BFH v. 10.04.2003, V R 26/02, BStBl II 2003, 785). Das gilt bei Zusammenveranlagung auch dann, wenn bei einem Ehegatten steuererhöhende und beim anderen steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden. Im Einzelnen s. § 177 AO und die dortigen Erläuterungen. Ein vorbehaltloser Bescheid kann auch nicht bei seiner Änderung wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel ohne Zustimmung des Betroffenen unter Nachprüfungsvorbehalt (§ 164 AO) gestellt werden kann (BFH v. 30.10.1980, IV R 168/79, BStBl II 1981, 150).
Tz. 47
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Treten die Voraussetzungen für eine Änderung im Laufe eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens ein, so steht der Änderung zuungunsten des Stpfl. nicht entgegen, dass der Einspruch nach entsprechendem Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit zurückgenommen wurde (BFH v. 11.03.1987, II R 206/83, BStBl II 1987, 417; BFH v. 13.09.2001, IV R 79/99, BStBl II 2002, 2).
Tz. 47a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die objektive Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (Änderung zuungunsten des Stpfl.) trägt grundsätzlich die Finanzbehörde (von Wedelstädt in Gosch, § 173 AO Rz. 78). Dies gilt jedoch nicht, soweit es um die Feststellungslast für die Verletzung der Ermittlungspflicht der Finanzbehörde geht. Diese trifft den Stpfl. Die objektive Beweislast dafür, dass dem für die Veranlagung zuständigen Sachbearbeiter ausnahmsweise auch nicht aktenkundige Tatsachen dienstlich bekannt waren oder als bekannt zuzurechnen sind, trägt ebenfalls der Stpfl. (BFH v. 18.06.2015, VI R 84/13, BFH/NV 2015, 1342). Für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO trägt demgegenüber der Stpfl. die objektive Feststellungslast, und zwar auch für das Merkmal "ohne grobes Verschulden" (BFH v. 21.02.1991, V R 25/87, BStBl II 1991, 496; Bartone in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 995; von Wedelstädt in Gosch, § 173 AO Rz. 105; Koenig in Koenig, § 173 AO Rz. 171; Frotscher in Pahlke/Schwarz, § 173 AO Rz. 221; a. A. BFH v. 22.05.1992, VI R 17/91, BStBl. II 1993, 80; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz. 298; Loose in Tipke/Kruse, § 173 AO Rz. 85).