Tz. 23
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme erfolgt in einem besonderen Verfahren durch besonderen Verwaltungsakt und nicht im Steuerfestsetzungsverfahren (BFH v. 07.07.2004, II R 3/03, BStBl II 2004, 1006 m. w. N.; s. Rz. 27). Sie kann auch nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung und nach Eintritt der Festsetzungsverjährung getroffen werden, soweit der Antrag nicht unverhältnismäßig spät gestellt wird. Sie unterliegt unmittelbar keinen gesetzlichen Fristen. Ein Zeitablauf kann aber im Rahmen der Ermessenentscheidung berücksichtigt werden (zum Zeitablauf BFH v. 21.07.2016, X R 11/14, BStBl II 2017, 17 m. w. N.; Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO Rz. 21a). Sie ist von dem für die Steuerfestsetzung bzw. die gesonderte Feststellung zuständigen FA zu treffen. Zu Zustimmungsvorbehalten von OFD, Landes- und Bundesfinanzministerium s. BMF v. 15.02.2017, BStBl I 2017, 283; Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 24.03.2017, BStBl I 2017, 419 und § 227 AO Rz. 47. Eine besondere Form der Entscheidung ist nicht vorgeschrieben.
Tz. 23a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Billigkeitsmaßnahme kann mit der Steuerfestsetzung bzw. den der Steuerfestsetzung gleichgestellten Bescheiden wie die gesonderte Feststellung (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO) und der Steuermessbescheid (§ 184 Abs. 1 Satz 3 AO) äußerlich verbunden werden (§ 163 Abs. 2 AO), auch indem sie in die Erläuterungen des Steuerbescheids aufgenommen wird (Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO Rz. 25). Sie verliert durch die äußerliche Verbindung mit der Steuerfestsetzung ihre Selbstständigkeit nicht (AEAO zu § 163, Nr. 3). Steuerfestsetzung und Billigkeitsentscheidung sind auch bei äußerlicher Verbindung zwei selbstständige, voneinander unabhängige Verfahren (h. M., u. a. BFH v. 01.10.2015, X R 32/13, BStBl II 2016, 139 m. w. N.). Als Verwaltungsakt muss die Billigkeitsentscheidung den Anforderungen der inhaltlichen Bestimmtheit auch entsprechen, wenn Steuerfestsetzung und Billigkeitsentscheidung äußerlich miteinander verbunden werden. Bei niedrigerer Festsetzung der Steuer muss sich zumindest im Wege der Auslegung entnehmen lassen, ob und in welchem Umfang von der an sich gesetzlich vorgesehenen Festsetzung aus Billigkeitsgründen abgewichen worden ist (Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO Rz. 25; FG Münster v. 16.03.2001, 11 K 1500/99 AO, EFG 2001, 764; FG Münster v. 31.05.2001, 6 K 5014/98 G, F, EFG 2001, 1342). Fragen des einen Verfahrens können nicht in dem anderen Verfahren entschieden werden; im Billigkeitsverfahren kann daher nicht über die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung befunden werden, im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Steuerfestsetzung können keine Billigkeitsmaßnahmen getroffen werden (u. a. BFH v. 29.11.2016, VI R 61/14, BStBl II 2017, 718 m. w. N.). Eine Saldierung zwischen den beiden Entscheidungen ist nicht zulässig. Ebenso wenig kann im Einspruchsverfahren gegen eine der beiden Entscheidungen hinsichtlich der anderen verbösert werden. Die Bestandskraft der Steuerfestsetzung steht einer Billigkeitsentscheidung nicht entgegen. Macht der Stpfl. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Festsetzungsverfahren geltend, ist darüber im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme zu entscheiden und regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden (BFH v. 30.04.2009, V R 15/07, BStBl II 2009, 744). Eine Verpflichtung des FA, das Festsetzungsverfahren und das Billigkeitsverfahren zeitgleich zu entscheiden, besteht nicht (BFH v. 14.03.2012, XI R 2/10, BStBl II 2012, 653).
Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Billigkeitsentscheidung entscheidet über die Höhe der Steuer oder die Berücksichtigung von Besteuerungsgrundlagen mit Wirkung für die Steuerfestsetzung. Entscheidet die Finanzbehörde nach § 163 Abs. 1 Satz 2 AO über Höhe und Verteilung des Übergangsgewinns auf mehrere Jahre, ist dies in die Veranlagungen aller betroffenen Jahre zu übernehmen.Ist die Veranlagung des Übergangsjahres bestandskräftig, ist in den Steuerfestsetzungen der Folgejahre eine berichtigte Ermittlung des Übergangsgewinns nicht mehr möglich (BFH v. 01.10.2015, X R 32/13, BStBl II 2016, 139).Die Billigkeitsentscheidung ist ein Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 AO mit der Folge der Pflicht zur Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, wenn sie der Billigkeitsregelung nicht entspricht (st. Rspr., u. a. BFH v. 21.07.2016, X R 11/14, BStBl II 2017, 17 m. w. N.). Die Billigkeitsmaßnahme unterliegt keiner eigenen Verjährungsfrist. Daher greift die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO nur, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheids bei der für die Billigkeitsmaßnahme zuständigen Finanzbehörde beantragt worden ist (§ 171 Abs. 10 Satz 2 AO; AEAO zu § 171, Nr. 6.5). Wird die Billigkeitsentscheidung im Rahmen der gesonderten Feststellung oder des Steuermessbescheids getroffen, wirkt sie sich über die Bindungswirkung dieses Grundlagenbescheids auf den Folgebescheid, d. h. die Steuerfestsetzung aus.
Tz. 25
Stan...