Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung, Steueranmeldung oder Anzeige kann aus Gesetz oder aus einer Aufforderung der Finanzbehörde (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) resultieren (BFH v. 04.10.2017, VI R 53/15, BStBl II 2018, 123; auch s. § 149 AO Rz. 4. Die Aufforderung der Finanzbehörde zur Abgabe einer Erklärung (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) führt nur dann zu einer Abweichung vom regelmäßigen Beginn der Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 1 AO), wenn diese vor Ablauf der Regelfestsetzungsfrist wirksam wurde (vgl. auch AEAO zu § 170, Nr. 3). Der Beginn des Laufs der Festsetzungsfrist wird gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO immer dann gehemmt (Anlaufhemmung), wenn die objektiven Voraussetzungen einer Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung, Steueranmeldung oder Anzeige besteht, selbst wenn zweifelhaft ist, ob jemand Steuerschuldner ist (BFH v. 13.10.1998, VIII R 35/95, BFH/NV 1999, 445). Auf die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten des Erklärungspflichtigen kommt es nicht an (BFH v. 25.03.1992, II R 46/89, BStBl II 1992, 680; hierzu Drüen in Tipke/Kruse, § 170 AO Rz. 10). Besteht keine Erklärungspflicht aufgrund Gesetzes oder behördlicher Aufforderung wie z. B. bei der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, greift die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht (BFH v. 14.04.2011, VI R 53/10, BStBl II 2011, 746; BFH v. 18.10.2012, VI R 16/11, BFH/NV 2013, 340; BFH v. 30.03.2017, VI R 43/15, BStBl II 2017, 1046; AEAO zu § 170, Nr. 3 Abs. 2), sondern es gilt § 170 Abs. 1 AO.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Maßgeblich für den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ist die Einreichung einer Steuererklärung, Steueranmeldung oder einer Anzeige. Der Stpfl. muss seine nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck erklärte und eigenhändig unterschriebene Steuererklärung (s. § 150 AO) bei der zuständigen Finanzbehörde abgeben. Zur Rechtsfolge einer vom Stpfl. selbst oder eines organschaftlichen Vertreters einer Gesellschaft nicht unterzeichneten Steuererklärung BFH v. 09.07.2012, I B 11/12, BFH/NV 2012, 1576. Die Abgabe einer eine Pflichtveranlagung begründenden Steuererklärung nach Ablauf der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO setzt keine Anlaufhemmung in Gang (BFH v. 28.03.2012, VI R 68/10, BStBl II 2012, 711). Wird die Steuererklärung bei der unzuständigen Finanzbehörde eingereicht, beginnt die Festsetzungsfrist erst nach Weiterleitung an die zuständige Behörde zu laufen (Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 170 AO Rz. 29; Cöster in Koenig, § 170 AO Rz. 24 sowie BFH v. 26.08.2004, II B 149/03, BFH/NV 2004, 1626 zur Abgabe einer KraftSt-Erklärung bei der Zulassungsbehörde). Unerheblich ist, ob die Steuererklärung inhaltlich richtig und vollständig ist (BFH v. 23.05.2012, II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579). Ausreichend ist, wenn die Finanzbehörde in die Lage versetzt wird, mithilfe der eingereichten Steuererklärung ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren einzuleiten (BFH v. 08.07.2009, VIII R 5/07, BStBl II 2010, 583, Banniza in HHSp, § 170 AO Rz. 41). Besteht die Pflicht zur Abgabe einer Feststellungserklärung (§ 181 Abs. 2 AO), gilt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit der Maßgabe, dass die Einreichung der Feststellungserklärung die Anlaufhemmung beendet (§ 181 Abs. 1 Satz 2 AO; s. § 181 AO Rz. 8). Die Abgabe der Feststellungserklärung kann im Hinblick darauf grds. nicht durch die Abgabe einer ESt-Erklärung ersetzt werden (BFH v. 12.12.2013, IV R 33/10, BFH/NV 2014, 665). Dies soll nach der Rspr. des BFH ausnahmsweise nur dann nicht gelten, wenn das FA nach den besonderen Umständen des Einzelfalls aufgrund der ESt-Erklärung auch ein ordnungsgemäßes Feststellungsverfahren in Gang setzen kann, ohne dass die Bearbeitungszeit verkürzt wird (BFH v. 12.12.2013, IV R 33/10, BFH/NV 2014, 665).
Tz. 7a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Erklärt der Stpfl. seine Steuer erst, nachdem die Finanzbehörde seine Steuer geschätzt hat (§ 162 AO), so beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres, in dem er die Steuererklärung abgegeben hat (so auch Drüen in Tipke/Kruse, § 170 AO Rz. 11 a). Insoweit gelten keine Besonderheiten, denn auch nach Erlass eines Steuerbescheids, der auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruht, besteht die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung für das betreffende Jahr fort. Im Falle der Übertragung von Steuerklärungen mit Hilfe des ElsterOnline-Portals ist für den Beginn der Festsetzungsfrist die Datenübertragung maßgebend. Insoweit ist § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nur entsprechend anwendbar, da eine wirksame Steuerklärung mangels eigenhändiger Unterschrift bzw. einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 87a AO) nicht vorliegt (ebenso m. w. A. zu den verfahrensrechtlichen Problemen der elektronischen Steuererklärung Wissenschaftlicher Arbeitskreis des DWS-Instituts, DStR 2006, 1588).
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach Ansicht des BFH greift die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO auch dann ein, wenn eine zur Einb...