1. Anfechtung
Tz. 31
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 171 Abs. 3a AO ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt, wenn ein Steuerbescheid ergangen und durch einen zulässigen Einspruch (s. §§ 347ff. AO) oder eine zulässige Klage (§§ 40f. FGO) angefochten worden ist. Unter "Klage" ist nicht nur die Anfechtungsklage zu verstehen, sondern jede nach Art des Begehrens zulässige, die Steuerfestsetzung betreffende Klage. Auch ein Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 2 AO) führt zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO (BFH v. 22.01.2013, IX R 1/12, BStBl II 2013, 663; BFH v. 11.11.2015, V B 55/15, BFH/NV 2016, 225).
Tz. 32
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Die Anfechtung muss sich gegen eine bestimmte, wirksame Steuerfestsetzung richten, denn nur eine wirksame Steuerfestsetzung kann die reguläre Festsetzungsfrist wahren (Cöster in Koenig, § 171 AO Rz. 50). Gemäß § 171 Abs. 1 Nr. 2 AEAO ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO zu verneinen, wenn der Stpfl. innerhalb der Festsetzungsfrist keinen Antrag auf Steuerfestsetzung oder Korrektur einer Steuerfestsetzung gestellt hat (auch BFH v. 24.01.2008, VII R 3/07, BStBl II 2008, 462).
Tz. 33
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Die Ablaufhemmung gilt im Gegensatz zu § 171 Abs. 3 AO jedoch dann, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird, und zwar auch dann, wenn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wurde (AEAO zu § 171, Nr. 2a). Hierdurch werden die Fälle erfasst, in denen die Finanzbehörde erst kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist einen Steuerbescheid erlassen hat mit der Folge, dass die Rechtsbehelfsfristen länger laufen als die Festsetzungsfrist. Somit muss der Stpfl. diesen Steuerbescheid nicht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist anfechten (Cöster in Koenig § 171 AO Rz. 49; hierzu Raub, INF 2001, 353, 357). Es wird vermieden, dass die Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens durch den Ablauf der regulären Festsetzungsfrist sinnlos wird. Die angefochtene Steuerfestsetzung muss jedoch vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist ergangen sein (BFH v. 29.06.2011, IX R 38/10, BStBl II 2011, 963; Paetsch in Gosch, § 171 AO Rz. 42). § 173 Abs. 3a AO kann nicht rückwirkend angewendet werden, wenn ein Steuer- oder Steuervergütungsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung bereits erloschen ist (BFH v. 12.05.2009, VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602).
Tz. 34
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Der Rechtsbehelf muss sich gegen die Festsetzung der Steuer richten, d. h. ein auf Billigkeitserlass gerichtetes Klagebegehren genügt nicht. Dies gilt auch für die Anfechtung einer Entscheidung über eine beantragte Stundung oder eine beantragte Aussetzung der Vollziehung (BFH v. 10.05.1974, III 284/64, BStBl II 1974, 620).
2. Umfang der Ablaufhemmung
Tz. 35
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Die Hemmung tritt hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs ein, sodass trotz Anfechtung eines bestimmten Betrages, im Unterschied zu der Antragsbeschränkung i. S. des § 171 Abs. 3 AO, nicht nur der bestimmte Teil des Steuerbescheides von der Ablaufhemmung erfasst ist (BFH v. 23.04.2003, IX R 28/00, BFH/NV 2003, 1140; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 29; Raub, INF 2001, 353). Nach dem BFH muss für eine Beschränkung der Beschränkungswille ausdrücklich in Erscheinung treten muss (BFH v. 10.03.1993, I R 93/92, BStBl II 1995, 165). Im Regelfall wird aber im vollen Umfang gehemmt und der Steuerbescheid kann ggf. zuungunsten des Stpfl. geändert werden. Der Stpfl. kann dem nicht den Ablauf der Festsetzungsfrist entgegenhalten (§ 171 Abs. 3a Satz 2 AO). Eine Verböserung (§ 367 Abs. 2 AO) kann ggf. durch Rücknahme des Einspruchs vermieden werden (s. § 367 AO Rz. 19; Bartone in Gosch, § 367 AO Rz. 37 f.).
Tz. 36
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Der Ablauf der Feststellungsfrist wird selbst dann gehemmt, wenn ein Feststellungsbeteiligter Einspruch gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften einlegt, den das FA bisher nur einem anderen Feststellungsbeteiligten gegenüber bekannt gegeben hat (BFH v. 13.09.1994, IX R 89/90, BStBl II 1995, 39; BFH v. 29.06.2016, I B 32/16, BFH/NV 2016, 1679). Ein Feststellungsbescheid kann, soweit er gegen einen verstorbenen Gesellschafter als Inhaltsadressaten gerichtet und deshalb insoweit nichtig ist, keine Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 3a AO auslösen, und zwar unabhängig davon, ob der Feststellungsbescheid, soweit er den verstorbenen Gesellschafter als Inhaltsadressaten betrifft, von der Gesellschaft in (vermeintlicher) Prozessstandschaft für den verstorbenen Gesellschafter oder von den Rechtsnachfolgern des verstorbenen Gesellschafters angefochten wird (BFH v. 16.07.2015, IV B 72/14 BFH/NV 2015, 1351).
Tz. 37
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Die Anfechtung des Grundlagenbescheids hemmt nur eine für ihn laufende Feststellungsfrist, nicht jedoch die für den Folgebescheid laufende Festsetzungsfrist (BFH v. 19.01.2005, X R 14/04, BStBl II 2005, 242; s. Rz. 100).
Tz. 38
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