Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Steuerverwaltungsakte sind grds. zu begründen (§ 121 Abs. 1 AO). Dies gilt auch für Ermessensentscheidungen: Hier muss die Begründung erkennen lassen, dass die Finanzbehörde von dem ihr eingeräumten Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat und welche wesentlichen Erwägungen sie dabei angestellt hat (s. § 121 AO Rz. 6). Anders ausgedrückt: Das "Ob" und das "Wie" der Ermessensbetätigung müssen aus der Begründung erkennbar sein. Formelhafte Wendungen, etwa dass "keine Besonderheiten gegeben" seien oder "hinsichtlich der Umstände nichts Besonderes ersichtlich" sei, reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen nicht aus, weil bei derartigen "Leerformeln" nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und ggfs. in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BSG v. 18.04.2000, B 2 U 19/99 R, SozR 3-2700 § 76 Nr. 2; LSG Nds-Bre v. 29.04.2014, L 2/12 R 113/12, juris). Daher muss die Begründung grds. über die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts der angewendeten Norm hinausgehen (aber s. Rz. 14). Auch bei automatisierten Bescheiden ist – abweichend von § 121 Abs. 2 Nr. 3 AO – eine auf den Einzelfall bezogene Begründung erforderlich (FG RP v. 08.02.1982, 5 K 235/81, DStR 1982, 260). Insbesondere bei der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners muss die Finanzbehörde darlegen, warum sie nicht den Steuerschuldner oder weitere für die Haftung in Betracht kommende Personen in Anspruch genommen hat (BFH v. 07.10.2004, VII B 46/04, BFH/NV 2005, 827; BFH v. 11.03.2004, VII R 52/02, BStBl II 2004, 579; im Einzelnen s. § 191 AO Rz. 9).
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ausnahmen von dem Begründungszwang (s. Rz. 13) ergeben sich zum einen aus § 121 AO Abs. 2 AO, wobei für Ermessensverwaltungsakte in aller Regel nur § 121 Abs. 2 Nr. 1 AO Betracht kommt. Demnach bedarf es keiner Begründung des Verwaltungsakts, soweit die Finanzbehörde einem Antrag des Stpfl. entspricht (s. § 121 AO Rz. 8). Die übrigen Ausnahmen scheiden demgegenüber für Ermessensentscheidungen regelmäßig aus: Auch wenn demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist, die Auffassung der Finanzbehörde bekannt oder ohne Weiteres erkennbar ist (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO), ist eine Begründung der Ermessensentscheidung erforderlich, da ansonsten eine Überprüfung auf Ermessensfehler (s. Rz. 36 ff.) nicht möglich ist (s. Rz. 13). Gleiches gilt, wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtung erlässt (s. Rz. 13). Zum anderen werden an die Begründung von Ermessensverwaltungsakten geringere Anforderungen gestellt, wenn das Ermessen von der angewandten Norm intendiert ist: Diese Ermessensentscheidungen müssen nur im Ausnahmefall begründet werden (BFH v. 29.06.2006, VII B 19/06, BFH/NV 2006, 1795; BFH v. 26.06.2007, VII R 35/06, BStBl II 2007, 742; BFH v. 24.01.2012, VII B 47/11, BFH/NV 2012, 1409).
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Begründung hat grds. in dem betreffenden Verwaltungsakt zu erfolgen. Sie kann aber noch im Verwaltungsverfahren erfolgen, sodass eine Nachholung, d. h. die Ausübung des Ermessens (das "Ob" der Ermessensbetätigung), spätestens in der Einspruchsentscheidung (§§ 366, 367 Abs. 2 Satz 3 AO) zu erfolgen hat (z. B. BFH v. 15.05.2009, IV B 24/09, BFH/NV 2009, 1402 m. w. N.; BFH v. 11.12.2013, XI R 22/11, BStBl II 2014, 332). Denn nach § 102 Satz 2 FGO kann die Behörde ihre Ermessenserwägungen im Finanzprozess nur ergänzen und nachbessern, nicht aber nachholen (s. Rz. 45; s. § 102 FGO Rz. 4). Eine Ergänzung der Ermessenserwägungen kann daher nach dem allgemeinen Grundsatz des § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzt werden. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann ein Ermessensverwaltungsakt grds. in einen gebundenen Verwaltungsakt nach § 128 Abs. 1 AO umgedeutet werden; umgekehrt ist jedoch die Umdeutung eines gebundenen Verwaltungsakts in einen Ermessensverwaltungsakt durch § 128 Abs. 3 AO ausdrücklich ausgeschlossen (s. § 128 AO Rz. 6).
Tz. 16-17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
vorläufig frei