Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Beeinträchtigung der Ansprüche des Fiskus muss ihre Ursache in der Pflichtverletzung haben (BFH v. 05.09.1989, VII R 61/87, BStBl II 1989, 979). Der ursächliche Zusammenhang besteht, wenn die Anspruchsbeeinträchtigung nicht eingetreten wäre, wenn sich der Vertreter usw. pflichtgemäß verhalten hätte. So fehlt es am ursächlichen Zusammenhang, wenn dem Vertreter für die Entrichtung der von der vertretenen Person geschuldeten Steuern keine hinreichenden Mittel zur Verfügung standen (BFH v. 05.03.1991 VII R 93/88, BStBl II 1991, 776; FG SchlH v. 25.05.2004, 5 V 85/04, EFG 2004, 1345: Verweigerung der Zustimmung zur Steuerzahlung durch vorläufigen Insolvenzverwalter), er besteht aber, wenn durch die Pflichtverletzung aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten vereitelt werden (BFH v. 05.03.1991, VII R 93/88, BStBl II 1991, 678) oder wenn der Vertreter die Möglichkeit gehabt hätte, Vorkehrungen zu treffen, um sich die erforderlichen Mittel zu beschaffen (BFH v. 28.11.2002, VII R 41/01, BStBl II 2003, 337; BFH v. 30.12.2004, VII B 145/04, BFH/NV 2005, 665: Globalzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt als schädliche Vorabverfügung; a. A. FG Sa v. 21.05.2014, 2 V 1032/14, EFG 2014, 1738, kein Verschulden, wenn bei der Vereinbarung der Zession deren spätere Umsetzung nicht absehbar war; BFH v. 16.12.2003, VII R 77/00, BStBl II 2005, 249: Umsatzsteueroption nach § 9 UStG trotz fehlenden Mittelzuflusses zur Zahlung der USt aus dem sonst steuerfreien Geschäft). Grundsätzlich kommt es für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden an. Werden aber – und das ist der Regelfall – über einen längeren Zeitraum mit mehreren Fälligkeitszeitpunkten Steuern nicht oder nicht vollständig entrichtet, so ist eine Betrachtung über den Gesamtzeitraum erforderlich. Hierzu muss festgestellt werden, welche Mittel unter Berücksichtigung des Grundsatzes anteiliger Befriedigung (s. Rz. 13) zur Verfügung standen (BFH v. 12.06.1986, VII R 192/83, BStBl II 1986, 657). Die Prüfung dieses Kausalzusammenhangs betrifft nur den äußeren (objektiven) Sachverhalt. Es ist aber i. S. der Adäquanztheorie darauf abzustellen, ob Pflichtverletzungen der konkreten Art nach der allgemeinen Erfahrung zu der aufgetretenen Konsequenz führen können (BFH v. 11.11.2008, VII R 19/08, BStBl II 2009, 342). Die Möglichkeit des Eintritts der Konsequenz darf nicht zu fern liegen; insbes. darf die Beeinträchtigung der Ansprüche des Fiskus nicht wesentlich auf weitere Umstände zurückzuführen sein, die mit der Pflichtverletzung nicht im Zusammenhang stehen. Solche Umstände können z. B. im Hinzutreten eines pflichtwidrigen Verhaltens der Finanzbehörde liegen (s. aber Rz. 18) aber nicht darin, dass in einem später eröffneten Insolvenzverfahren eine Leistung des Vertreters an das FA nach den §§ 129ff. InsO anfechtbar wäre und deshalb keinen Bestand hätte (BFH v. 26.01.2016, VII R 3/15, BFH/NV 2016, 893). Das FG Bln meinte sogar, die hypothetische Anfechtbarkeit von Zahlungen über den Zehn-Jahreszeitraum des § 133 InsO führe dazu, dass eine Haftung trotz objektiver und subjektiver Pflichtverletzung mangels Herbeiführung eines kausalen Schadens entfalle, selbst wenn der Insolvenzverwalter nur die Drei-Monats-Anfechtung verfolge (FG Bln v. 27.02.2006, 9 K 9114/05, EFG 2006, 1122). Nach anderer Auffassung ist die nur hypothetische Anfechtbarkeit einer nicht geleisteten Zahlung unbeachtlich (BFH v. 04.07.2007, VII B 268/06, BFH/NV 2007, 2059; Pump/Kapischke, StBp 2005, 313; Haunhorst, DStZ 2006, 369; zu § 266a StGB BGH v. 09.08.2005, 5 StR 67/05, DB 2005, 2516). Sie lässt unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 69 AO die Haftung auch nicht wegen mangelnder Schadenszurechnung entfallen (BFH v. 05.06.2007, VII R 65/05; BStBl II 2008, 273; BFH v. 19.09.2007, VII B 39/05, BFH/NV 2008, 18; BFH v. 04.12.2007, VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521; BFH v. 26.01.2016, VII R 3/15, BFH/NV 2016, 893; a. A. Tiedtke/Peterek, GmbHR 2008, 617, 624). Die Haftung hat auch dann Bestand, wenn eine Zahlung auf die Steuerschuld bei Fälligkeit außerhalb einer Insolvenzanfechtungsfrist gelegen hätte, die verspätete Zahlung aber anfechtbar war (BFH v. 11.11.2008, VII R 19/08, BStBl II 2009, 342).
Tz. 21
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Häufig fallen einer Person mehrere Pflichtverletzungen in Bezug auf einen Steueranspruch zur Last. So trifft regelmäßig die Pflichtverletzung der Nichtanmeldung einer Steuer mit der Nichtentrichtung derselben zusammen. Dennoch ist auch in diesem Fällen der Grundsatz der anteilmäßigen Befriedigung (s. Rz. 13) zu beachten. Die Pflichtverletzung der Nichtanmeldung führt nur in der Höhe des Quotenausfalls zu einem kausal verursachten Schaden. Hätte der Vertreter die Steuer ordnungsgemäß angemeldet (pflichtgemäßes Alternativverhalten), hätte er die dann bei Fälligkeit zu entrichtende Steuer nur nach Maßgabe des Grundsatzes der anteilmäßigen Befriedigung tilgen müssen, um nicht haftbar zu se...