Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 237 Abs. 4 AO kann die Finanzbehörde in entsprechender Anwendung von § 234 Abs. 2 AO auf die Zinsen ganz oder teilweise verzichten, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Bei der im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmenden Abwägung, ob Unbilligkeit vorliegt, ist zu beachten, dass die Zinsfestsetzung generell an den Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens anknüpft. Eine Unbilligkeit kommt daher nur in besonders begründeten Einzelfällen in Betracht (BFH v. 25.04.2013, V R 29/11, BStBl II 2013, 767). Überlange Verfahrensdauer rechtfertigt den Erlass von Aussetzungszinsen nicht (BFH v. 21.02.1991, V R 105/84, BStBl II 1991, 498; BFH v. 13.09.1991, IV B 105/90, BStBl II 1992, 148; BFH v. 28.06.2010, III B 97/09, BFH/NV 2010, 1784; BFH v. 27.04.2016, X R 1/15, BStBl II 2016, 840). Gleiches gilt, wenn die umsatzsteuerliche Behandlung eines Sachverhalts durch das FA des Leistenden und das FA des Leistungsempfängers unterschiedlich beurteilt wird und eine zinsauslösende AdV im Hinblick auf eine sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisende Rechtsansicht eines der FA gewährt wird (BFH v. 29.09.2010, XI B 74/09, BFH/NV 2011, 194). Ebenso wenig rechtfertigt es den Erlass von Aussetzungszinsen, wenn das FA einen fehlerhaften Steuerbescheid im Einspruchsverfahren heilt; der Stpfl. ist insoweit nicht vertrauensschutzbedürftig, da er stets damit rechnen muss, dass das FA einen rechtmäßigen Zustand herstellt (BFH v. 31.03.2010, II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602). Im Übrigen hierzu s. § 234 AO Rz. 8. Ficht der Stpfl. eine von Amts wegen gewährte Aussetzung der Vollziehung an, kann diese im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sein; wird die Aussetzungsverfügung vor Eintritt ihrer Bestandskraft aufgrund eines Rechtsbehelfs aufgehoben, kann dies auch bereits der Zinsfestsetzung entgegenstehen (BFH v. 09.05.2012, I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004).
Die gleichfalls in § 237 Abs. 4 AO angeordnete entsprechende Geltung des § 234 Abs. 3 AO besagt, dass Zinsen nach § 233a AO, die für denselben Zeitraum festgesetzt werden, anzurechnen sind. Nun endet aber der Zinslauf nach § 233a Abs. 2 Satz 3 AO jedenfalls mit dem Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam geworden ist. Wirksam wird ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt, in dem er bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Rechtsbehelfsfrist ist aber ihrerseits mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts verknüpft (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO), für den Fall der Sprungklage (§ 45 FGO, § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO), sodass Überschneidungen eigentlich nicht eintreten können.