Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift räumt ein besonderes Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder wegen einer Ordnungswidrigkeit ein. Das Verweigerungsrecht ist nicht nur auf Steuerstraftaten oder -ordnungswidrigkeiten beschränkt. Das Verweigerungsrecht, das gem. § 104 AO grundsätzlich auch die Verweigerung der Erstattung eines Gutachtens und der Vorlage von Urkunden oder Wertsachen mit einschließt, gilt nur für Dritte. Den am Besteuerungsverfahren Beteiligten (§ 78 AO) und den Personen, die gem. §§ 34 und 35 AO für einen Beteiligten auskunftspflichtig usw. sind, steht das Auskunftsverweigerung nach Satz 1 ausdrücklich nicht zu. Ehegatten/Lebenspartner sind Dritte, soweit es um die Einkünfte des anderen Ehegatten/Lebenspartner geht; dies gilt auch bei Zusammenveranlagung (Seer in Tipke/Kruse, § 103 AO Rz. 1).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Entscheidend ist nach dem Wortlaut und Zweck der Vorschrift, wieweit sich der Befragte selbst oder seine Angehörigen (§ 15 AO) durch seine Auskunft auf Fragen einer Verfolgungsgefahr aussetzt. Nach dem Gesetzeswortlaut kann nur die Auskunft auf konkrete ("solche") Fragen, die die Verfolgungsgefahr begründen, verweigert werden. Die Vorschrift gewährt also grds. nur ein gegenständliches, nicht allumfassendes Auskunftsverweigerungsrecht. Dies greift vor allem bei umfangreichen Sachverhalten und Befragungen zu kurz. Die Verweigerungsrecht umfasst in diesen Fällen den gesamten Sachverhaltskomplex (FG Münster v.03.11.2014, 10 K 1512/10, EFG 2015, 697; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, § 103 AO Rz. 9). Das Auskunftsverweigerungsrecht setzt ferner voraus, dass die Auskunft für eine etwaige Verfolgung kausal wäre. Daran fehlt es, wenn die eine Verfolgung möglicherweise nach sich ziehenden Umstände ohnehin bekannt sind (s. auch BFH v. 21.12.1992, XI B 55/92, BStBl II 1993, 451; BFH v. 24.10.1989, VII R 1/87, BStBl II 1990, 198). Ausreichend ist, wenn eine Gefahr der Verfolgung besteht; es reicht also aus, dass nur die Möglichkeit einer Verfolgung besteht.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Dem allgemeinen Grundsatz, dass niemand gezwungen werden kann, sich selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen, ist aber auch im Hinblick auf die nicht unter die Vorschrift fallenden Personen Rechnung getragen. Zwar bleiben nach § 393 Abs. 1 AO bzw. § 410 Abs. 1 Nr. 4 AO die Befugnisse der Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren durch ein Strafverfahren unberührt; Zwangsmittel sind jedoch unzulässig, wenn der Beteiligte hierdurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat zu belasten. Dies gilt insbes., soweit gegen ihn wegen einer solchen Tat das Strafverfahren eingeleitet worden ist, erstreckt sich jedoch auch auf andere Fälle, in denen der Stpfl. gezwungen würde, sich selbst wegen einer Steuerstraftat zu belasten. Damit ist klargestellt, dass die Mitwirkungspflichten (§ 90 AO) der Beteiligten und der für sie Handelnden zwar auch dann uneingeschränkt gelten, wenn ihre Erfüllung die Gefahr der Strafverfolgung bzw. der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit herbeiführt, die betroffenen Personen jedoch selbst wählen können, ob sie diese Gefahr in Kauf nehmen wollen oder stattdessen riskieren wollen, dass die Finanzbehörde ihre Nichtmitwirkung entsprechend würdigt. Eine Aufnahme der Beteiligten in das Auskunftsverweigerungsrecht nach Satz 1 ist daher entbehrlich.
Tz. 4
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Soweit es sich nicht um steuerliche Delikte handelt, sind die Aussagepflichtigen weitgehend durch das Steuergeheimnis vor den strafrechtlichen Folgen ihrer Mitwirkung geschützt. S. hierzu im Übrigen § 30 Abs. 4 Nr. 4 und 5a und b sowie Abs. 5 AO.
Tz. 5
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Gemäß § 103 Satz 2 und Satz 3 AO sind die Personen, denen das Weigerungsrecht zusteht, über ihr Recht zu belehren, wobei die Belehrung aktenkundig zu machen ist. Die Belehrung ist somit nicht nur in den Fällen vorgeschrieben, in denen nach der Kenntnis der Finanzbehörde die Voraussetzungen für die Verweigerung gegeben sind. Die Belehrung wird jedoch unterbleiben können, wenn den Umständen nach eine Strafverfolgung bzw. eine Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit offensichtlich nicht in Betracht kommt. Eine Belehrung ohne konkreten Anhaltspunkt könnte zu Missverständnissen führen. Im finanzgerichtlichen Verfahren stellt es keinen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht dar, wenn das Gericht auf die Ladung eines Zeugen verzichtet, der sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft (BFH v. 22.08.2012, X B 151/11, BFH/NV 2012, 2015).
Tz. 6
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Macht der in Anspruch Genommene von seinem Verweigerungsrecht mit der Behauptung Gebrauch, die in § 103 Satz 1 AO formulierten Voraussetzungen seien gegeben, besteht wohl anders als beim Zeugnisverweigerungsrecht (hierzu BFH v. 12.06.1996, X B 42/96, BFH/NV 1997, 9; BFH v. 07.05.2007, X B 167/06, BFH/NV 2007, 1524)...