A. Allgemeines
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift behandelt die Berechnung von Fristen und die Bestimmung von Terminen. Fristen sind Zeiträume, in deren Grenzen ein bestimmtes Verhalten oder ein bestimmtes Handeln gefordert wird, an dessen Unterlassen bestimmte Rechtsfolgen geknüpft sind. Sog. "eigentliche Fristen" sind Fristen, innerhalb derer Handlungen vorzunehmen sind, wobei es unerheblich ist, ob es sich um gesetzliche oder behördlich gesetzte Fristen handelt. Fristen, die das Gesetz nicht mit einem Handeln oder Verhalten verbindet, werden z. T. als uneigentliche Fristen (Brandis in Tipke/Kruse, § 108 AO Rz. 8; BFH v. 28.03.2012, II R 43/11, BStBl II 2012, 599) bezeichnet. Als derartige uneigentliche Fristen wird man auch gesetzliche Fristen bezeichnen können, die, ohne wie die Handlungsfristen ein bestimmtes Tätigwerden zu fordern, einen Anspruch oder ein sonstiges Recht (auf Tätigwerden) zum Erlöschen bringen (z. B. Verjährungsfrist § 228ff. AO, Festsetzungsfrist §§ 169ff. AO, Frist des § 110 Abs. 3 AO: BFH v. 27.10.2014, X R 18/14, BStBl II 2015, 371). Die dogmatische Differenzierung der Fristarten ist in der Praxis ohne Bedeutung, da hieran keine unterschiedlichen Rechtsfolgen knüpfen. Maßgeblich ist stets der Fristablauf.
Wird durch eine gesetzliche Regelung aus Praktikabilitätsgründen für einen Vorgang eine pauschalierte Zeitdauer vermutet (s. § 122 Abs. 2 AO), so handelt es sich dabei nicht um eine Frist (auch s. § 122 AO Rz. 15).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Von Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen Fristen und Ausschlussfristen. Gewöhnliche Fristen sind kann auch nach ihrem Ablauf verlängerungsfähig (s. § 109 AO). Die Versäumung einer Ausschlussfrist hingegen allenfalls über § 110 AO geheilt werden. Die hiernach mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedeutet jedoch keine Fristverlängerung, sondern beseitigt nur den durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsnachteil. Eine gesetzliche Ausschlussfrist kann nicht verlängert werden, eine behördlich gesetzte Ausschlussfrist ist nur vor ihrem Ablauf verlängerbar.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der zur Definition der Frist gehörende Zeitraum muss bestimmt oder wenigstens bestimmbar sein. Eine Frist, die durch einen bestimmbaren Zeitraum begrenzt ist, liegt z. B. dann vor, wenn ihr Ende eindeutig berechenbar ist. Soweit das Gesetz "unverzügliches" Handeln verlangt (s. § 119 Abs. 2 Satz 2 AO), fehlt es an Bestimmbarkeit.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unter Termin ist ein im Voraus genau bestimmter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder eine Wirkung eintritt, zu verstehen (z. B. Fälligkeitstermin; Vollendung des Lebensjahrs: BFH v. 18.04.2017, V B 147/16, BFH/NV 2017, 1052).
B. Grundsatz: Anwendung der Vorschriften des BGB
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 108 Abs. 1 AO ordnet die entsprechende Anwendung der in den §§ 187 bis 193 BGB enthaltenen Vorschriften für die Berechnung von Fristen und die Bestimmung von Terminen (vgl. dazu BFH v. 04.09.2008, X B 113/08, BeckRS 2008, 25015923). Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 187 BGB Fristbeginn
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
§ 188 BGB Fristende
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablaufe des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum – Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr – bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablaufe desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablaufe desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monate der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablaufe des letzten Tages dieses Monats.
§ 189 BGB Berechnung einzelner Fristen
(1) Unter einem halben Jahr wird eine Frist von sechs Monaten, unter einem Vierteljahre eine Frist von drei Monaten, unter einem halben Monat eine Frist von fünfzehn Tagen verstanden.
(2) Ist eine Frist auf einen oder mehrere ganze Monate und einen halben Monat gestellt, so sind die fünfzehn Tage zuletzt zu zählen.
§ 190 BGB Fristverlängerung
Im Falle der Verlängerung einer Frist wird die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet.
§ 191 BGB Berechnung von Zeiträumen
Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen...