A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Betriebstätte ist Anknüpfungspunkt u. a. für die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG), die beschränkte Steuerpflicht im Bereich der Steuern vom Einkommen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2a) EStG), den Ausschluss des Progressionsvorbehaltes nach § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EStG, die örtliche Zuständigkeit der Finanzämter (§§ 17ff. AO), die Doppelbesteuerungsabkommen (soweit sie keine eigene Begriffsbestimmung enthalten, s. § 2 AO), sowie für bestimmte steuerliche Investitionsmaßnahmen z. B. nach dem Investitionszulagengesetz (BFH v. 30.06.2005, III R 76/03, BStBl II 2006, 84). § 12 AO ist bei in anderen Rechtsvorschriften verwendeten Betriebstättenbegriffen allerdings nur dann anzuwenden, wenn diese keine abweichenden Regelungen zum Begriff "Betriebstätte" enthalten (AEAO zu § 12, Nr. 4); maßgebend ist der gesetzliche Zusammenhang, der für eine unterschiedliche Bedeutung gleichlautender Begriffe sprechen kann (s. z. B. BFH v. 18.09.1991, XI R 34/90, BStBl II 1992, 90). Zur Abgrenzung zum ständigen Vertreter s. § 13 AO Rz. 1.
Im Einzelnen wird auch auf die Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebstätten international tätiger Unternehmen (Betriebstätten-Verwaltungsgrundsätze, BMF v. 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 25.08.2009, BStBl I 2009, 888) verwiesen.
B. Definition der Betriebstätte
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Betriebstätte ist als unselbstständiger Teil des Gesamtunternehmens weder ein Rechtssubjekt noch ein selbstständiges Steuersubjekt. Sie ist nach der Legaldefinition des § 12 Satz 1 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Ungeschriebene Tatbestandsmerkmale der Rechtsprechung für die Annahme einer Betriebstätte sind, dass die Geschäftseinrichtung oder Anlage eine feste Beziehung zur Erdoberfläche hat, die von einer gewissen Dauer ist, dass sie der Tätigkeit des Unternehmens dient und dass über sie der Stpfl. nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Diese Merkmale dienen dazu, den Anknüpfungspunkt "Betriebstätte" einzuschränken und dadurch zu verhindern, dass nicht jeder Ort einer Betätigung eines Unternehmens zu einem Anknüpfungspunkt wird (BFH v. 17.09.2003, I R 12/02, BStBl II 2004, 396 m. w. N.).
I. Geschäftseinrichtung oder Anlage
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Annahme einer Betriebstätte setzt eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraus, die der unternehmerischen Tätigkeit dient. Eine Geschäftseinrichtung ist jeder körperliche Gegenstand bzw. jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände, die geeignet ist, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein. Die Anlage stellt einen Unterfall der Geschäftseinrichtung dar. Die Geschäftseinrichtung setzt keine besondere bauliche Gestaltung, wie z. B. einen umschlossenen Raum, oder die Eignung zum Aufenthalt von Menschen oder Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen voraus, sodass auch Lagerplätze, Spiel- und Verkaufsautomaten (Buciek in Gosch, § 12 AO Rz. 48 "Automaten") oder die Wohnung als Büro z. B. bei einem Handelsvertreter (BFH v. 18.12.1986, I R 130/83, BFH/NV 1988, 119) Betriebstätten sein können. Nicht ausreichend sind unkörperliche Gegenstände (Rechte), s. d. Beteiligungen nicht zu einer Betriebstätte am Ort des Beteiligungsvermögens führen (BFH v. 29.08.1984, I R 154/81, BStBl II 1985, 160 f.). Das Gleiche gilt für eine Webseite.
II. "Feste" Geschäftseinrichtung oder Anlage
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Geschäftseinrichtung oder Anlage müssen fest sein, also einen Bezug zu einem bestimmten Teil des Erdbodens haben, der von einer gewissen Dauer und nicht nur vorübergehend ist (BFH v. 17.09.2003, I R 12/02, BStBl II 2004, 396 m. w. N.), bzw. sie müssen sich für eine gewisse Dauer an einem bestimmten Ort befinden, indem sie mechanisch mit der Erde verbunden oder bloß an derselben Stelle belegen sind (BFH v. 30.10.1996, II R 12/92, BStBl II 1997, 12). Eine feste bauliche Verbindung ist nicht erforderlich, sodass z. B. auch zugewiesene oder überlassene Standplätze von Taxi-Unternehmen, Straßenhändlern oder Schuhputzern, Marktstände oder das Lotsrevier einer Lotsenbrüderschaft Betriebstätten sein können (BFH v. 13.09.2000, X R 174/96, BStBl II 2001, 734 und BFH v. 29.04.2014, VIII R 33/10, BStBl II 2014, 777), ferner fahrbare Einrichtungen, wenn sie einen auch vorübergehenden Standort haben (AEAO zu § 12, Nr. 2 Satz 2, nicht jedoch fahrende Schiffe, FG Ha v. 27.05.2009, 6 K 102/08, EFG 2009, 1665 oder ein international tätiger Fußballschiedsrichter, BFH v. 20.12.2017, I R 98/15, BFHE 260, 169). Die Verbindung muss sich nicht oberhalb des Erdbodens befinden, sodass auch unterirdisch verlegte Rohrleitungssysteme Geschäftseinrichtungen sind (BFH v. 30.10.1996, II R 12/92, BStBl II 1997, 12). Stätten der Erkundung von Bodenschätzen (z. B. Versuchsbohrungen) sind als Betriebstätten anzusehen, wenn die Voraussetzungen des § 12 Nr. 8 AO erfüllt sind (AEAO zu § 12, Nr. 3).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Daneben erfordert der Betriebstättenbegriff eine gewisse zeitliche Dauer...