A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Neben der Frage, welche Finanzbehörde in welchem Fall tätig wird, sind die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit für die Steuerberechtigung bedeutsam, weil nach Art. 107 Abs. 1 GG das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteil am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer den einzelnen Ländern insoweit zustehen, als die Steuern von den Finanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden (örtliches Aufkommen). Bei den genannten Steuern knüpft somit die Ertragshoheit an die örtliche Zuständigkeit an.
B. Begriff und Regelung der örtlichen Zuständigkeit
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unter örtlicher Zuständigkeit versteht man die Verteilung der Verwaltungsaufgaben auf die für diese sachlich zuständigen Behörden (s. § 16 AO) nach örtlichen Gesichtspunkten. Die AO regelt die örtliche Zuständigkeit grds. in den §§ 18 bis 29 AO, die jedoch nur subsidiär gelten ("soweit nicht anderes bestimmt ist"). Die §§ 18ff. AO betreffen neben den Steuern vom Einkommen einschließlich der hierfür vorgesehenen gesonderten Feststellungen (§§ 18 bis 20a AO) nur die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer (§ 21 AO), die Realsteuern (§ 22 AO) sowie die Zölle und Verbrauchsteuern (§ 23 AO). Weitere Regelungen finden sich in den §§ 195, 367, 388 AO sowie in Einzelsteuergesetzen. Ausschließlich außerhalb der AO ist die örtliche Zuständigkeit für die Verkehrsteuern (s. z. B. § 17 GrEStG) und für die Erbschaftsteuer (§ 35 ErbStG) geregelt. Zur Zuständigkeit für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft s. § 89 Abs. 2 Satz 2 AO.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich regelmäßig nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns, d. h. im Zeitpunkt der Durchführung der Steuerfestsetzung oder Feststellung, nicht nach den Verhältnissen im Veranlagungs- oder Feststellungszeitraum (BFH v. 22.09.1989, III R 227/84, BFH/NV 1990, 568), eine Ausnahme ergibt sich aus § 180 Abs. 1 Nr. 2 b) (s. § 18 AO Rz. 5).
C. Verletzung der örtlichen Zuständigkeit
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Fehler in der örtlichen Zuständigkeit führen nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes (§ 125 Abs. 3 Nr. 1 AO). Ein Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit bewirkt zwar eine Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts, jedoch kann gem. § 127 AO nicht allein aus diesem Grund die Aufhebung des Verwaltungsakts beansprucht werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (s. § 127 AO Rz. 7). Dies ist jedoch bei einer Ermessensentscheidung regelmäßig der Fall, sodass der Verwaltungsakt aufzuheben ist (BFH v. 25.01.1989, X R 158/87, BStBl II 1989, 483). Ein materiellrechtlich unrichtiger Steuerbescheid muss stets nach Anfechtung aufgehoben werden, unabhängig davon, ob er von einem örtlich zuständigen oder unzuständigen FA erlassen wurde. Der materiell unrichtige Steuerbescheid eines örtlich unzuständigen FA wahrt daher die Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nicht, wenn der Bescheid dem Stpfl. erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist zugegangen ist (BFH v. 13.12.2001, III R 13/00, BStBl II 2002, 406). Ob der Erlass des Einspruchsbescheids durch die zuständige Behörde den Fehler heilt, hat der BFH bisher offengelassen (BFH v. 25.11.1988 III R 264/83, BFH/NV 1989, 690; bejahend Rätke in Klein, § 17 AO Rz. 3).