A. Bedeutung der Vorschrift
Rz. 1
Stand: 21. Auflage – ET: 05/2015
Die Vorschrift betrifft den Beginn der (Zahlungs-)Verjährungsfrist.
B. Beginn nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO
Rz. 2
Stand: 21. Auflage – ET: 05/2015
Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Der erstmalige Fälligkeitszeitpunkt ergibt sich entweder aus dem jeweiligen Einzelsteuergesetz (§ 220 Abs. 1 AO) oder aus § 220 Abs. 2 AO oder bei Vorverlegung der Fälligkeit (§ 221 AO) aus dem entsprechenden Verwaltungsakt. Spätere Maßnahmen, die die Fälligkeit hinausschieben (Stundung, Zahlungsaufschub, Aussetzung der Vollziehung), verändern den Beginn der Verjährungsfrist nicht (zur Unterbrechung und deren Wirkung s. § 231 AO). Werden solche Maßnahmen vor Eintritt der "ersten Fälligkeit" i. S. des § 220 wirksam, so ist diese nicht eingetreten; die erste Fälligkeit tritt dann in dem Kalenderjahr ein, in dem die die Fälligkeit hinausschiebenden Maßnahmen enden.
Rz. 3
Stand: 21. Auflage – ET: 05/2015
Bei Doppelzahlung, Zahlung auf eine Nichtschuld (nichtige oder unwirksame Festsetzung) und in vergleichbaren Fällen wird der Erstattungsanspruch (Rückforderungsanspruch) mit der Zahlung fällig (s. BFH v. 25.02.1992, VII R 8/91, BStBl II 1992, 713; BFH v. 07.02.2002, VII R 33/01, BStBl II 2002, 447; BFH v. 07.05.2013, VII B 199/12, BFH/NV 2013, 1378).
Rz. 4
Stand: 21. Auflage – ET: 05/2015
Erstattungszahlungsansprüche, die auf Grund eines dem Abgabenberechtigten oder dem Abgabenpflichtigen erwachsenden Erstattungsanspruchs (Rückforderungsanspruch) entstanden sind, werden gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO mit der Erfüllung des in § 37 Abs. 2 AO normierten Tatbestands – Wegfall des rechtlichen Grundes – fällig (zum Wegfall des Rechtsgrundes von UStVZ’en bei Unklarheit über den Unternehmer BFH v. 22.05.2012, VII R 47/11, BStBl II 2013, 3). Beruht der Wegfall des rechtlichen Grundes für die Zahlung auf einem finanzgerichtlichen Urteil, durch das gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO eine bisherige Anspruchsfestsetzung ganz oder teilweise aufgehoben (abgeändert) wurde, so wird die Gerichtsentscheidung mit ihrer Rechtskraft wirksam. Erst mit Eintritt der Rechtskraft fällt also i. S. des § 37 Abs. 2 AO der rechtliche Grund für die mit Rücksicht auf die bisherige Festsetzung geleisteten Zahlungen weg und erst mit der Rechtskraft der Entscheidung wird daher auch der aus ihr resultierende Erstattungsanspruch fällig. Die Verjährung des Erstattungszahlungsanspruchs beginnt damit nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Urteil rechtskräftig geworden ist.
Rz. 4a
Stand: 21. Auflage – ET: 05/2015
Werden in einer Anrechnungsverfügung nicht festgesetzte oder geleistete Vorauszahlungen (z. B. LSt) angerechnet, erlischt der festgesetzte Steueranspruch gleichwohl nach Ablauf der regulären Zahlungsverjährungsfrist (BFH v. 25.10.2011, VII R 55/10, BStBl II 2012, 220; s. § 218 AO Rz. 19).
C. Beginn nach § 229 Abs. 1 Satz 2 AO
Rz. 5
Stand: 21. Auflage – ET: 05/2015
§ 229 Abs. 1 Satz 2 AO ordnet einen von § 229 Abs. 1 Satz 1 AO abweichenden, späteren Verjährungsbeginn für die Fälle an, in denen Fälligkeit des Anspruchs schon eintritt, bevor durch förmliche Festsetzung die Voraussetzung für die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs geschaffen ist. Gemeint sind die sog. Fälligkeitssteuern, für die durch Gesetz ein fester Fälligkeitszeitpunkt bestimmt ist (z. B. § 18 UStG, § 14 BierStG, §§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Satz 5, 50a Abs. 5 Satz 3 EStG). Damit in solchen Fällen die durch die Zahlungsverjährung begrenzte Zeit für die Verwirklichung des Zahlungsanspruchs nicht durch säumige Erfüllung der Anmeldungspflicht verkürzt wird, beginnt die Verjährungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuerfestsetzung bzw. Steueranmeldung, die der Steuerfestsetzung gleichsteht (§ 229 Abs. 1 Satz 2 AO a. E.), wirksam geworden ist.
Rz. 6
Stand: 21. Auflage – ET: 05/2015
Das gleiche Motiv ist für die Hinausschiebung des Verjährungsbeginns in den Fällen der Aufhebung oder Änderung einer Festsetzung oder im Falle ihrer Berichtigung nach § 129 AO maßgebend. Beschränkt auf das Gebiet der Fälligkeitssteuern verhindert § 229 Abs. 1 Satz 2 AO daher, dass im Extremfall die Zahlungsverjährung vor der Festsetzungsverjährung abläuft, mit Rücksicht auf die Festsetzungsverjährung noch zulässige Festsetzungen gewissermaßen "ins Leere" gehen.
D. Beginn nach § 229 Abs. 2 AO
Rz. 7
Stand: 21. Auflage – ET: 05/2015
Die Regelung des § 229 Abs. 2 AO verhindert, dass bei Erlass eines Haftungsbescheids gemäß § 191 Abs. 1 AO, der nicht mit einer Zahlungsaufforderung i. S. des § 219 Satz 1 AO verbunden wurde, die Verjährungsfrist hinsichtlich des Haftungszahlungsanspruchs in Anwendung des § 229 Abs. 1 Satz 1 AO erst mit dem Erlass des Leistungsgebots beginnt. Andernfalls könnte, sofern nur der Haftungsbescheid erlassen wurde, der Schuldner praktisch auf unbeschränkte Zeit auf Zahlung in Anspruch genommen werden.