A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift stellt den Grundsatz auf, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) nur dann verzinst werden, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist, und nimmt in Satz 2 diejenigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die steuerliche Nebenleistungen i. S. des § 3 Abs. 4 AO betreffen, allgemein von der Verzinsung aus. Die gesetzliche Regelung der Zinspflicht ist erforderlich, da es im nationalen Recht keinen allgemeinen Grundsatz gibt, dass öffentlich-rechtliche Geldforderungen zu verzinsen sind (BFH v. 07.12.1990, III R 2/88, BStBl II 1991, 422; BFH v. 16.05.2013, II R 20/11, BStBl II 2013, 770). Fehlt eine gesetzliche Grundlage, ist die Entstehung einer Zinspflicht ausgeschlossen (BFH v. 17.01.2007, X R 29/06, BFH/NV 2007, 942; BFH v. 16.12.2009, I R 48/09, BFH/NV 2010, 827; BFH v. 23.06.2014, VIII B 75/13, BFH/NV 2014, 1713). Eine Zinspflicht kann sich entgegen dem Wortlaut von § 233 AO auch aus Gemeinschaftsrecht ergeben, wenn Steuern oder Zölle gem. einer EU-Verordnung erhoben werden, die vom EuGH für ungültig oder nichtig erklärt worden sind (EuGH v. 29.09.2012, C-113/10, C-147/10 und C-234/10, ECLI:EU:C:2012:591, ZfZ 2013, 76 – Zuckerfabrik Jülich; EuGH v. 18.01.2017, C-365/15, ECLI:EU:C:2017:19, ZfZ 2017, 42 – Wortmann).
B. Zinsbegriff und -tatbestände
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zinsen sind laufzeitabhängiges Entgelt für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen oder vorenthaltenen Geldkapitals (BFH v. 20.05.1987, II R 44/84, BStBl II 1988, 229; BFH v. 25.03.1992, I R 159/90, BStBl II 1992, 997). Ihrem Charakter nach sind sie abhängig vom Bestehen einer (Haupt)Schuld (Grundsatz der Akzessorietät), d. h. im Steuerrecht vom Bestehen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, soweit Verzinsung angeordnet ist. Verzinst werden Steuernachforderungen und -erstattungen (§ 233a AO), gestundete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 234 AO), hinterzogene Steuern (§ 235 AO), auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung zu erstattende Steuerbeträge oder -vergütungen (§ 236 AO), von der Vollziehung ausgesetzte Ansprüche (§ 237 AO). Ferner finden sich Zinsvorschriften in spezialgesetzlichen Regelungen, z. B. § 28 ErbStG, § 7 InvZulG. Die Verzinsung von Kirchensteuern und von örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern sowie der Kommunalabgaben ist in den Bundesländern nicht einheitlich geregelt.
C. Steuerliche Nebenleistungen
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die auf Zahlung steuerlicher Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) und deren Erstattung gerichteten Ansprüche werden nach § 233 Satz 2 AO nicht verzinst. Dies gilt auch dann, wenn Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen in den Fällen der §§ 236, 237 AO als Hauptsache des Rechtsbehelfsverfahrens anzusehen sind, da die Vorschrift die Erhebung von Zinsen auf Zinsen ausnahmslos ausschließt (BFH v. 23.06.2014, VIII B 75/13, BFH/NV 2014, 1713).
Die Forderung auf Rückzahlung hinterlegter Gelder wird nicht verzinst (§ 242 Satz 2 AO).
D. Gesamtschuldner
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Besteht hinsichtlich des zu verzinsenden Anspruchs Gesamtschuldnerschaft, z. B. bei zusammenveranlagten Ehegatten, werden auch die Zinsen von jedem der Gesamtschuldner geschuldet (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Wie die Hauptschuld können auch die Zinsen nur einmal gefordert werden. Die Vorschriften über die Aufteilung der Gesamtschuld nach §§ 268ff. AO finden auch auf Zinsen Anwendung (§ 276 Abs. 4). Auch nach Erlöschen der Hauptschuld ist eine Aufteilung der Zinsen möglich (BFH v. 30.11.1994, XI R 19/94, BStBl II 1995, 487).
E. Höhe, Festsetzung
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wegen der Höhe und der Berechnung der Zinsen s. Erläuterungen zu s. § 238 AO; die Festsetzung der Zinsen bestimmt sich nach § 239 AO.
F. Ertragsteuerliche Behandlung
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Vom Stpfl. vereinnahmte Erstattungszinsen (§ 233a AO) und Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge (§ 236 AO) sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder als Betriebseinnahmen stpfl. (vgl. BFH v. 24.06.2014, VIII R 29/12, BStBl. II 2014, 998; BFH v. 09.10.2014, I R 34/13, BFH/NV 2015, 167). Vom Stpfl. entrichtete Steuerzinsen sind demgegenüber weder als Sonderausgaben noch als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar (§ 12 Nr. 3 EStG: Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen; § 9 Abs. 5, EStG § 4 Abs. 5 Nr. 8a EStG: Abzugsverbot für Hinterziehungszinsen).