A. Allgemeines und Anwendungsbereich
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 1 Abs. 3 Satz 2 AO hat zur Folge, dass die entsprechende Anwendung der für die Steuern geltenden Vorschriften auf die Zinsen ausdrücklich geregelt werden muss. Eine solche Sonderregelung für die Festsetzung der Zinsen enthält § 239 Abs. 1 Satz 1 AO. Eine Haftung für Zinsen kommt grundsätzlich nicht in Betracht; dies folgt mittelbar aus § 71 AO, der ausdrücklich eine Haftung für Hinterziehungszinsen vorsieht. Die Vorschrift wäre entbehrlich, wenn stets eine Haftung für Steuerzinsen eingreifen würde (BFH v. 05.10.2004, VII R 76/03, BStBl II 2006, 3; gl. A. Loose in Tipke/Kruse, § 239 AO Rz. 1; Heuermann in HHSp, § 239 AO Rz. 4).
B. Tatbestandliche Voraussetzungen
I. Festsetzung durch Verwaltungsakt
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Diese in § 239 Abs. 1 Satz 1 AO angeordnete entsprechende Anwendung hat zur Folge, dass Zinsen durch schriftlichen Verwaltungsakt (§ 157 Abs. 1 Satz 1 AO) festzusetzen sind, dessen Inhalt sich entsprechend § 157 Abs. 1 Satz 2 AO bestimmt. Hiernach muss die Zinsfestsetzung den zu verzinsenden Schuldbetrag nach Art und Höhe und zwar getrennt nach Steuerarten und Veranlagungszeiträumen, Beginn und Ende des Zinslaufs, die Höhe der Zinsen und den Zinsschuldner bezeichnen. Allerdings können mehrere Zinsansprüche in einem formellen Bescheid zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Ansprüche erkennbar bleiben (BFH v. 11.12.2013, I B 174/12, BFH/NV 2014, 665). Darüber hinaus gilt § 119 Abs. 3 und 4 AO. Die Bestandskraft eines Zinsbescheids richtet sich nach §§ 172 bis 177 AO. Eine niedrigere Festsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) ist möglich, aber in der Praxis eher selten. Gleiches gilt für eine Schätzung der Zinsen, da sie in der Regel an die (auch geschätzten) Steuerbeträge anknüpfen.
Korrekturen der Zinsfestsetzungen erfolgen wegen der Verweisung auf die für Steuerbescheide geltenden Vorschriften nach den §§ 172ff. AO; auch eine Änderung wegen offenbarer Unrichtigkeiten (§ 129 AO) ist möglich.
Gegen Zinsbescheide der Finanzbehörde ist der Einspruch (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO), gegen Zinsfestsetzungen der Gemeindebehörden der Widerspruch (§ 69 VwGO), jeweils mit anschließender Anfechtungsklage, gegeben. Wird eine abweichende Festsetzung der Zinsen aus Billigkeitsgründen (§ 234 Abs. 2 AO, § 237 Abs. 4 AO) ganz oder teilweise abgelehnt wird, sind ebenfalls Einspruch bzw. Widerspruch, allerdings mit anschließender Verpflichtungsklage, gegeben.
II. Festsetzungsfrist
Tz. 3
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Abweichend von § 169 Abs. 2 Satz 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr. § 239 Abs. 1 Satz 2 AO bestimmt hierfür einen von § 170 AO abweichenden und je nach Zinsgrund differenzierten Beginn (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO). Unter den in § 171 normierten Voraussetzungen wird der Ablauf der Zinsfestsetzungsfrist gehemmt. Regelungen über eine Anlaufhemmung enthält § 239 AO nicht (BFH v. 26.11.2008, X B 187/08, BFH/NV 2009, 411).
Tz. 4
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§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO, § 239 Abs. 1 Satz 3 AO: Für Vollverzinsungszinsen beginnt die Festsetzungsfrist mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert worden bzw. nach § 129 AO berichtigt ist. Der Wortlaut erweckt den Anschein, es gäbe eine besondere Festsetzungsfrist für die jeweiligen Nachforderungs- und Erstattungszinsen, also auch für die Mehr- oder Minderzinsen infolge Änderung oder Aufhebung. Da aber im Zuge der Änderung der Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO dem sich aus dem dafür maßgebenden Unterschiedsbetrag (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO) ergebenden Zinsbetrag nach § 233a Abs. 5 Satz 3 AO "bisher festgesetzte Zinsen hinzuzurechnen" sind bzw. festgesetzte Zinsen "entfallen", beginnt die Festsetzungsfrist für den gesamten Zinsanspruch notwendig mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert wird (im Ergebnis gl. A. Loose in Tipke/Kruse, § 239 Rz. 5; vgl. BFH v. 14.07.2008, VIII B 176/07, BStBl II 2009, 117). Das ergibt auch die Einbeziehung der Regelung des § 239 Abs. 1 Satz 3 AO in die Betrachtung.
Im Übrigen aber ist auch § 239 Abs. 1 Satz 3 AO missverständlich: Die Festsetzungsfrist für die Zinsen nach § 233a kann nämlich nach § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO auch erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die zu verzinsende Steuer beginnen, beispielsweise bei Anpassung an einen Grundlagenbescheid gegen Ende der Jahresfrist des § 171 Abs. 10 AO bzw. im Fall der partiellen Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO: Die Festsetzungsfrist endet mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat. Abzustellen ist auf das tatsächliche Ende der Stundung, also bei vorzeitiger Zahlung auf den Tag der Zahlung (gl. A. Loose in Tipke/Kruse, § 239 AO Rz. 6; a. A. Rüsken in Klein, § 239 Rz. 5), im Übrigen – und nur dann – auf den Ablauf des Zeitraums, für den die Stundung gewährt wurde. Bei Rücknahme oder Widerruf einer Stundung kommt es auf die Wirksamkeit von Widerruf oder Stundung an. Bei Stundun...