Schrifttum
Krauss, Rechtsbehelfsverzicht und -rücknahme im Steuerstreit, Diss. München 1976;
Rößler, Tatsächliche Verständigung und Rechtsmittelverzicht, DStZ 1988, 375.
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Während die Rücknahme (§ 362 AO) für einen bereits eingelegten Einspruch erklärt wird, bezieht sich der Verzicht auf den noch nicht eingelegten, aber einlegbaren Einspruch. § 354 AO entspricht dem § 50 FGO, der für das finanzgerichtliche Verfahren einen Verzicht auf Erhebung der Klage vorsieht. Der Einspruchsverzicht ist eine verfahrensrechtliche Willenserklärung dahingehend, gegen einen bestimmten Verwaltungsakt keinen Einspruch einlegen zu wollen. Sie ist bedingungsfeindlich, unwiderruflich und kann nicht wegen Irrtums über die Folgen des Verzichts angefochten werden (BFH v. 25.06.1986, II R 213/83, BStBl II 1986, 785). Ihr Widerruf kann nur dann wirksam sein, wenn er gleichzeitig mit der Verzichtserklärung bei der Finanzbehörde eingeht. An die Wirksamkeit eines Einspruchsverzichts sind wegen der damit verbundenen Beschränkung des Rechtsschutzes hohe Anforderungen zu stellen (BFH v. 03.04.1984, VII R 18/80, BStBl II 1984, 513).
B. Voraussetzungen des Verzichts
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Einspruchsverzicht ist nur dann zulässig, wenn ein Verwaltungsakt erlassen oder eine Steueranmeldung abgegeben wurde und kein Rechtsbehelfsverfahren dagegen anhängig ist. Die Verzichtserklärung muss wirksam abgegeben worden sein, insbes. muss sie auf einer freien Willensentschließung des Erklärenden beruhen.
I. Wirksame Verzichtserklärung
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auf einen Einspruch verzichten kann, wer befugt ist, ihn einzulegen (§§ 350, 352, 353 AO). Dabei kann sich der von dem Verwaltungsakt Betroffene auch eines Vertreters bedienen. Die Bevollmächtigung eines Steuerberaters umfasst grundsätzlich auch die Befugnis zum Rechtsbehelfs- und Klageverzicht (so bereits BFH v. 30.07.1953, IV 524/52 U, BStBl III 1953, 288). Bei zusammenveranlagten Ehegatten/Lebenspartnern wird die Auffassung vertreten, dass die Verzichtserklärung des einen Ehegatten/Lebenspartners unter Umständen auch für und gegen den anderen Ehegatten/Lebenspartner wirken kann (Brandis in Tipke/Kruse, § 50 FGO Rz. 4). Hier können jedoch nur Umstände gemeint sein, aus denen sich ein Einverständnis des einen Ehegatten/Lebenspartners oder die Bevollmächtigung des anderen Ehegatten/Lebenspartners zweifelsfrei ergibt. Auch bei der Zusammenveranlagung bleibt jeder Ehegatte/Lebenspartner eigenes Steuersubjekt mit eigenen Verfahrensrechten, die durch den anderen Ehegatten/Lebenspartner nicht ohne Zustimmung negiert werden können.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Einspruchsverzicht ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Finanzbehörde zu erklären (§ 354 Abs. 2 Satz 1 AO). Wie bereits bei der Einspruchseinlegung (§ 357 AO) besteht dabei kein Unterschriftszwang (§ 357 AO Rz. 6; Birkenfeld in HHSp, § 354 AO Rz. 30; a. A. Brandis in Tipke/Kruse, § 354 AO Rz. 4). Eine Frist für den Eingang der Verzichtserklärung bestimmt das Gesetz zwar nicht. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch, dass der Verzicht nur zwischen dem Erlass des Verwaltungsaktes und dem Ablauf der Einspruchsfrist erklärt werden kann. Wird ein Verzicht nach Einlegung eines Einspruchs erklärt, ist er in eine Rücknahme des Einspruchs umzudeuten.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Erklärung darf außer dem Rechtsbehelfsverzicht keine weitere Erklärung enthalten (§ 354 Abs. 2 Satz 1 2. HS AO). Um den Verzichtswillen eindeutig erkennen zu können, darf die Verzichtserklärung nicht Bestandteil eines Textes sein. Der Gesetzeswortlaut lässt es jedoch zu, dass der Verzicht auf ein Formular gesetzt wird, auf dem sich auch andere Erklärungen befinden, solange diese voneinander getrennt sind (Brandis in Tipke/Kruse, § 50 FGO Rz. 7), der darüber hinaus eine gesonderte Unterschrift verlangt. Zwar brauchen weder das Wort "Verzicht" noch das Wort "Einspruch" verwendet zu werden. Aus der Erklärung muss sich jedoch eindeutig erkennen lassen, dass der Erklärende auf die Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens endgültig und einschränkungslos verzichtet. Ein Vorbehalt oder eine (echte) Bedingung führen deshalb zur Unwirksamkeit des Verzichts. Im Zweifel ist wegen der nachteiligen Rechtsfolgen ein Einspruchsverzicht zu verneinen.
II. Erlassener Verwaltungsakt
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Verzicht kann nur nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erklärt werden, auf dessen Überprüfung verzichtet werden soll. Wie bei der Einspruchseinlegung kommt es auch hier auf den tatsächlichen Zugang an. Wird der Verwaltungsakt postalisch übermittelt, gilt auch hier die Drei-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2 AO insoweit, als bereits wirksam nach tatsächlichem Zugang aber noch vor Ablauf der Dreitagesfrist auf den Einspruch verzichtet werden kann. Mangels erlassenen Verwaltungsakts ist ein Verzicht auf den Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 2 AO) bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht möglich.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei Abgabe einer Steueranmeldung kan...