Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Schrifttum
Brenner, Gewinnabschöpfung, das unbekannte Wesen im Ordnungswidrigkeitenrecht, NStZ 1998, 557;
Többens, Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch die Troika der §§ 9, 130 und 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, NStZ 1999, 1;
Duttge, Zur Verantwortlichkeit des gutgläubigen Steuerberaters, wistra 2000, 201;
Brenner, Geldbuße und Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils nach dem Bruttoprinzip jetzt auch gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – Änderung des § 30 OWiG, ZfZ 2003, 185;
Korte, Aus der Rechtsprechung zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, NStZ 2010, 22; NStZ 2011, 23;
Gehm, Der Verfall eines Vermögensvorteils im steuerlichen Bußgeldverfahren, NWB 2012, 2149.
A. Steuerordnungswidrigkeiten: Begriff und Wesen
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Unterschied zu den Steuerstraftaten (s. § 369 AO) betreffen die Steuerordnungswidrigkeiten Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften der AO oder der Steuergesetze, die bloßes Ordnungsunrecht darstellen und aus diesem Grund nicht mit krimineller Strafe (Freiheitsstrafe oder Geldstrafe oder beides), sondern nur mit einer Geldbuße bedroht sind. § 377 AO ist mit Wirkung vom 25.05.2018 geändert worden durch Gesetz vom 17.07.2017 (BGBl. I 2017, 2541). Im Unterschied zur Kriminalstrafe werden Geldbußen nicht in das Strafregister eingetragen (s. §§ 3 und 10 BZRG). Für Steuerordnungswidrigkeiten ist auch die Nebenfolge der Einziehung (s. § 375 Abs. 2 AO) nicht vorgesehen.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Welche Verhaltensweisen (Tathandlungen) als Steuerordnungswidrigkeiten mit Geldbuße geahndet werden, ergibt sich in erster Linie aus den §§ 378 bis 383 AO. Im Vordergrund steht die leichtfertige Steuerverkürzung des § 378 AO, die sich von der Steuerhinterziehung des § 370 AO im Wesentlichen durch den subjektiven Tatbestand unterscheidet. Die übereinstimmenden objektiven Tatbestände der beiden Delikte werden durch die vielfältigen Pflichten konkretisiert und ausgefüllt, die den Steuerpflichtigen und ihren Vertretern in der Abgabenordnung und den Einzelsteuergesetzen auferlegt sind. Die Bußgeldvorschriften der §§ 379 bis 382 AO betreffen Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen, die zur Vorbereitung und Sicherung der Besteuerung erlassen sind. Als Gefährdungsdelikte sind diese Bußgeldtatbestände gleichsam in das Vorfeld der Verkürzungsdelikte der §§ 370 und 378 AO verlegt.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Spezielle Bußgeldtatbestände (Ordnungswidrigkeiten), die auf die AO verweisen, finden sich in einer Reihe von Verbrauchsteuergesetzen (s. § 24 BierStG, § 29 SchaumwZwStG und § 43 SchaumwZwStV, § 18 KaffeeStG i. d. F. 21.12.1992 und § 28 KaffeeStV, §§ 125, 126, 128 BranntwMonG und § 51 BrStV, § 64 EnergieStG und § 111 EnergieStV, § 36 TabStG und § 60 TabStV und im § 31 ZollVG und § 30 ZollV). Wegen weiterer OWi-Tatbestände, die in den Einzelsteuergesetzen geregelt sind s. vor § 369 AO Rz. 3.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine Ordnungswidrigkeit eigener Art, die im Zusammenhang mit Steuerstraftaten oder Ordnungswidrigkeiten in Betrieben oder Unternehmen Bedeutung gewinnt, enthält § 130 OWiG. Hiernach können wegen Verletzung der Aufsichtspflicht Geldbußen gegen Inhaber oder deren Vertreter, gegen vertretungsberechtigte Gesellschafter oder Organpersonen sowie gegen Betriebsleiter verhängt werden, wenn in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten begangen werden, die den Geschäftsherrn als solchen treffen und die bei gehöriger Erfüllung der Aufsichtspflicht hätten verhindert werden können. Diese Bußgelddrohung kann insbes. im Bereich der Lohnsteuer, der Umsatzsteuer, der Verbrauchsteuern und der Eingangsabgaben Bedeutung gewinnen, deren Bearbeitung häufig auf Angestellte übertragen ist.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Entsprechend anwendbar sind die Bußgeldvorschriften der AO für nichtsteuerliche Abgaben nach Maßgabe des einschlägigen Gesetzes, z. B. der EG-Marktordnungen (s. §§ 8, 17, 31 EG MarktordnungsG).
B. Allgemeine Regelung der Ordnungswidrigkeiten
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auf Steuerordnungswidrigkeiten finden gem. § 377 Abs. 2 AO und § 410 Abs. 1 AO die Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) Anwendung, soweit die Bußgeldvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen. Das sind die §§ 1 bis 34 OWiG (Erster Teil) betreffend das materielle Recht und die §§ 35 bis 110 OWiG (Zweiter Teil) betreffend das Verfahrensrecht.
I. Tatbestandsmäßigkeit; Opportunitätsprinzip
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auch für Ordnungswidrigkeiten gilt der rechtsstaatliche Grundsatz "Keine Ahndung ohne Gesetz" (s. Art. 103 Abs. 2 GG). Keine Handlung kann mit einer Geldbuße geahndet werden, die nicht vor ihrer Begehung gesetzlich geregelt war (s. § 3 OWiG). Die Vorschriften über die zeitliche Geltung der Bußgeldvorschriften finden sich in § 4 OWiG.
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Unterschied zu den Steuerstraftaten, für die der (eingeschränkte) Grundsatz des Verfolgungszwanges gilt (Legalitätsprinzip, s. § 152 Abs. 2 StPO), liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtmäßigen Ermessen der zuständigen Verwaltungsbehörde ...