Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Ordnungswidrigkeit des § 380 AO besteht darin, dass der gesetzlichen Verpflichtung, Steuerabzugsbeträge einzubehalten und abzuführen, nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig entsprochen wird. Geschütztes Rechtsgut ist die Doppelverpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Abzugsbeträge. Wegen des Verhältnisses zu den Verkürzungsdelikten der §§ 370, 378 AO s. Rz. 7.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Um Steuerabzugsbeträge (sog. Quellensteuern) handelt es sich bei den Steuerabzügen vom Arbeitslohn (s. §§ 38 bis 42f EStG i. V. m. der LStDV), vom Kapitalertrag (s. §§ 43 bis 45d EStG), von Bauleistungen (s. §§ 48 bis 48d EStG) und von bestimmten Einkünften beschränkt steuerpflichtiger Personen (s. § 50a EStG). Es muss sich um Steuern eines anderen handeln, die von Beträgen einzubehalten und abzuführen sind, welche diesem geschuldet bzw. an ihn gezahlt werden.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge trifft den Schuldner von Geld oder Sachleistungen, deren Zufluss beim Gläubiger dem Steuerabzug unterliegt. Das ist der Arbeitgeber hinsichtlich des dem Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitslohns, das Kreditinstitut hinsichtlich der Zinserträge oder die Kapitalgesellschaft hinsichtlich der den Gesellschaftern geschuldeten Gewinnanteile (Dividenden). Die Verpflichtung zur Vornahme und Abführung besteht anteilig auch dann, wenn die dem Schuldner zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung seiner vollen Schuld nicht ausreichen. Für diesen Fall schreibt z. B. § 38 Abs. 4 EStG vor, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen hat.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ordnungswidrig handelt sowohl, wer Steuerabzugsbeträge zwar einbehält, aber nicht abführt, wie auch derjenige, der Steuerabzugsbeträge abführt, die er nicht einbehalten hat, sondern aus eigenen Mitteln bestreitet, ohne die mit einer derartigen Nettozuwendung verbundene Erhöhung der Steuer zu berücksichtigen. Eine Ordnungswidrigkeit liegt schon dann vor, wenn nur eine der in § 380 Abs. 1 AO genannten Verhaltensweisen verwirklicht ist.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei Tilgungsleistungen des Entrichtungspflichtigen an die Finanzkasse ist die sachliche Reihenfolge des § 225 Abs. 2 AO zu berücksichtigen, wenn die eingehenden Zahlungen nicht zur Tilgung sämtlicher fälligen Rückstände genügen. Verbucht das FA entgegen dieser Regelung eingehende Zahlungen so, dass Rückstände von Steuerabzugsbeträgen verbleiben, so kann dies dem Betroffenen nicht angelastet werden (OLG Köln v. 11.02.1983, Ss 18/83 B, wistra 1983, 163).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der subjektive Tatbestand der Ordnungswidrigkeiten des § 380 AO erfordert Vorsatz oder Leichtfertigkeit (s. § 370 AO Rz. 50 ff. und § 379 AO Rz. 12). Sind mehrere Geschäftsführer einer GmbH bestellt und ist einem von ihnen die Verantwortung für die Abführung von Steuerabzugsbeträgen zugewiesen, so handeln auch die anderen Geschäftsführer im Falle der Nichtabführung leichtfertig, wenn sie den verantwortlichen Geschäftsführer im Vertrauen auf dessen Zuverlässigkeit ungenügend kontrollieren (OLG Hamburg v. 16.09.1986, 3 Ss 26/86 OW, DB 1986, 2173).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für das Verhältnis der Gefährdungshandlungen des § 380 AO zu den Verkürzungsdelikten der §§ 370, 378 AO gilt entsprechend, was in § 379 AO (s. § 379 AO Rz. 15 f.) ausgeführt ist. Jedoch tritt für die Fälle des § 380 AO als Besonderheit hinzu, dass eine Verkürzung von Abzugsteuern (s. § 370 AO Rz. 29, 35 und 40) regelmäßig auch mit der Ordnungswidrigkeit der nicht vorschriftsmäßigen "Abführung" von Steuerabzugsbeträgen verbunden ist. In diesem Fall ist die Pflichtverletzung nach § 380 AO gegenüber der leichtfertigen Steuerverkürzung und damit auch gegenüber der Steuerhinterziehung subsidiär (§ 380 Abs. 2 letzter HS AO). Eine Ahndung aus § 380 AO kommt insbes. dann nicht in Betracht, wenn die einschlägige Handlung als Ausführungsbestandteil einer vollendeten oder versuchten Hinterziehung anzusehen ist (BGH v. 03.09.1970, 3 StR 155/69, BGHSt 23, 319). Entsprechendes gilt, wenn sich leichtfertige Verstöße gegen § 380 AO (Nichteinbehaltung der Steuer) in leichtfertigen Verkürzungshandlungen im Sinne von § 378 AO fortsetzen (Nichtanmeldung der Steuer). Fälle von Tatmehrheit (s. § 370 AO Rz. 93 ff.) zwischen Verstößen gegen § 380 AO einerseits und Verkürzungshandlungen im Sinne des § 370 AO oder des § 378 AO andererseits dürften infolge der regelmäßig engen Verzahnung der Ausführungshandlungen selten sein. Eine wirksame Selbstanzeige (s. §§ 371, 378 Abs. 3 AO) führt zwar zur Straf- bzw. Bußgeldfreiheit wegen der Verkürzungstat, lässt damit aber Raum für eine bußgeldrechtliche Ahndung nach § 380 AO (BayObLG v. 03.03.1980, RReg 166/79, NJW 1981, 1055; s. § 378 AO Rz. 28).
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unberührt bleibt die Ahndung aus § 380 AO, wenn eine Strafe aus § 370 AO "nicht ver...