Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Schrifttum
Barthmuß, Wann sind Medizinische Versorgungszentren gemeinnützig?, DB 2007, 706.
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift klärt, unter welchen Voraussetzungen eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege ein Zweckbetrieb (§ 66 Abs. 1 i. V. m. § 66 Abs. 3 AO) ist und definiert den Begriff der Wohlfahrtspflege (§ 66 Abs. 2 AO).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unter Wohlfahrtspflege versteht das Gesetz die in § 66 Abs. 2 AO umschriebene Tätigkeit. Die Definition ist in ihrer allgemeinen Form nicht geeignet, alle Abgrenzungsschwierigkeiten zu beseitigen. § 68 AO zählt eine Reihe von Einrichtungen der Wohlfahrtspflege beispielhaft auf. § 23 UStDV führt amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege auf, die unter § 66 Abs. 2 AO zu subsumieren sind. Das gilt auch für deren Untergliederungen, Einrichtungen und Anstalten, sei es, dass sich diese als unselbstständige Zweige der Verbände oder als rechtlich selbstständige Körperschaften, Vereinigungen und Vermögensmassen darstellen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind und der freien Wohlfahrtspflege dienen. Allerdings bewirkt die Mitgliedschaft einer Körperschaft bei einem dieser Verbände für sich allein noch nicht, dass sie steuerbegünstigte Zwecke verfolgt (BFH v. 28.08.1968, I 242/65, BStBl II 1969, 145). Die Betätigung dieser Körperschaft selbst muss der Wohlfahrtspflege i. S. des § 66 Abs. 2 AO dienen.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wenn Satz 1 des § 66 Abs. 2 AO verlangt, dass die begünstigte Tätigkeit "nicht des Erwerbes wegen" ausgeübt werden darf, so bedeutet das nicht, dass jede Gewinnerzielungsabsicht fehlen muss. Der Erwerbszweck darf nur nicht der Hauptzweck der Betätigung sein und die erzielten Überschüsse müssen für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden. Angesprochen sind damit die allgemeinen Grundsätze der Selbstlosigkeit (s. § 55 AO und die dortigen Erläuterungen; s. AEAO zu § 66, Nr. 2). Der BFH war entgegen AEAO zu § 66, Nr. 6 der Auffassung, dass gewerbliche Rettungsdienste und Krankentransporte gemeinnütziger Wohlfahrtsverbände und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts körperschaft- und gewerbesteuerpflichtige Betriebe sind (BFH v. 18.09.2007, I R 30/60, BStBl II 2009, 126). Die Finanzverwaltung hält an ihrer entgegenstehenden Auffassung fest. Diese Tätigkeiten werden nicht des Erwerbs wegen und zur Beschaffung zusätzlicher Mittel ausgeübt, sondern die Körperschaften verfolgen damit ihren satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zweck der Sorge für Not leidende oder gefährdete Menschen (BMF v. 20.01.2009, BStBl I 2009, 339). Nunmehr vertritt der BFH die Auffassung, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht allein deshalb des Erwerbs wegen agiert, weil er seine Leistungen zu denselben Bedingungen anbietet, wie private gewerbliche Unternehmen. Maßgeblich ist, dass mit dem Betrieb keine Gewinne angestrebt werden, die über seinen konkreten Finanzierungsbedarf hinausgehen (BFH v. 27.11.2013, I R 17/12, BStBl II 2016, 68). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das BMF den AEAO zu § 66, Nr. 2 neu gefasst und den Umfang des konkreten Finanzierungsbedarfs näher definiert (Schr. v. 06.12.2017, BStBl I 2017, 1603).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Eigenschaft als Zweckbetrieb setzt voraus, dass die Einrichtung der Wohlfahrtspflege in besonderem Maße den in § 53 AO genannten Personen, also persönlich oder wirtschaftlich Hilfsbedürftigen, dient (§ 66 Abs. 1 AO). Dies ist nach § 66 Abs. 3 Satz 1 AO dann der Fall, wenn diesen Personen mindestens zwei Drittel der Leistungen der Einrichtung der Wohlfahrtspflege zugutekommen. Sofern die Einrichtung nicht eine Dauerpflege gewährt, wird der Nachweis über die Einkommensverhältnisse der betreuten Personen nicht ohne Weiteres exakt geführt werden können. Handelt es sich z. B. um sog. Suppenküchen und dergl. zur Verpflegung Bedürftiger, so wird schon die allgemeine Erfahrung genügen, dass solche Einrichtungen regelmäßig von Begüterten nicht in Anspruch genommen werden. Die Leistungen müssen nicht unmittelbar (vertraglich) gegenüber den bedürftigen Personen erbracht werden. Es genügt, wenn die Hilfeleistung in tatsächlicher Hinsicht selbst und unmittelbar gegenüber den Hilfsbedürftigen erbracht wird (BFH v. 27.11.2013, I R 17/12, BStBl II 2016, 68; anders noch: BFH v. 17.02.2010, I R 2/08, BStBl II 2010, 1006; BFH v. 16.12.2010, I R 49/08, BStBl II 2011, 398).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hinsichtlich der Krankenhäuser gilt § 67 AO als Sondervorschrift (§ 66 Abs. 3 Satz 2 AO).